Gelungener Wurf
Archivmeldung vom 06.10.2020
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Freigeschaltet durch André OttLange, allzu lange war die Deutsche Börse als Marktbetreiber in der Defensive geblieben, als es um die Entfernung von Wirecard aus dem Dax und die Lehren aus dem Skandal für den deutschen Vorzeigeindex Dax 30 ging. Da waren nicht allein fehlender Mut im Spiel, sondern auch komplizierte, historisch gewachsene Indexstrukturen. Nun wagt die Deutsche Börse einen großen Schritt nach vorn, um den Dax-Auswahlindizes zu internationalen Standards, zu Qualität und zu Einfachheit und mehr Transparenz zu verhelfen.
Die Idee, die Dax-Mitgliedschaft vom Prime Standard zu entkoppeln und damit bei Verstößen gegen die Indexregeln privatrechtlich sanktionieren zu können, ist ebenso zu begrüßen wie der künftige Verzicht auf die Börsenumsätze als Kriterium für den Dax-Aufstieg. Die Höhe der Börsenumsätze ist nicht wirklich ein aussagefähiges Qualitätskriterium für den Auswahlindex. Die nötige Mindestliquidität lässt sich auch anders regeln.
Sehr zu begrüßen sind die geplanten Vorgaben zu Publizitätspflichten und Governance-Standards. Da sollte die Börse noch etwas mehr Mut haben und nicht nur die Empfehlungen des deutschen Corporate-Governance-Kodex einfordern. Dass zumindest für den Dax 30 - oder perspektivisch vielleicht Dax 40 - auch die Profitabilität ein Aufnahmekriterium sein sollte, zielt ebenfalls in die richtige Richtung der Qualitätsverbesserung im deutschen Vorzeigeindex. Die Idee, dies nicht an einer Folge von Quartalsgewinnen festzumachen, sondern zwei Jahresabschlüsse mit positivem Ebitda - also Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen - zu verlangen, trägt sowohl kurzfristig volatilen Geschäftsverläufen als auch hohen Investitionserfordernissen von Wachstumsunternehmen Rechnung. Dass damit Unternehmen, deren Börsenwert allein von der Hoffnung auf Gewinne in ferner Zukunft getrieben wird, der Aufstieg in den obersten deutschen Börsenindex verwehrt bleibt, ist kein Nachteil, sondern gut so.
Ergebnisoffen erkundet die Deutsche Börse die Stimmung zur Erweiterung des Dax von 30 auf 40 Werte. Wer diese Option durchspielt, wird feststellen, dass damit weder eine wesentliche Verbreiterung des Branchenspektrums noch der Börsenkapitalisierung erreicht würde. Der Erhöhung des Dax-Börsenwertes um knapp zehn Prozent stünde der Verlust von etwa einem Drittel des Börsenwertes des gerade bei deutschen Investoren geschätzten und gut performenden MDax gegenüber. Deshalb: Ein Dax 40 ist keine gute Idee. Die Nachteile überwögen den Nutzen.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Claus Döring