WAZ: Schäuble will Gesetze verschärfen: Eine Republik unter Generalverdacht
Archivmeldung vom 13.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBei der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität scheint die Republik allmählich unter Generalverdacht zu geraten. Wolfgang Schäuble versucht beharrlich, sein Misstrauen gegenüber allen Bürgern auf den Staat zu übertragen.
Zwar wird ihm die
Verschärfung von Gesetzen nicht im gewünschten Ausmaß gelingen, aber
man sollte sich die Vorstellungen des Innenministers in der Summe vor
Augen führen, um den Punkt zu ahnen, an dem die Bevölkerung das
Misstrauen des Staates erwidert.
Wenn die Polizei jederzeit auf die digitalisierten Fotos der
neuen biometrischen Pässe zugreifen kann und die Fingerabdrücke in
den Meldebehörden gespeichert werden, beginnt die systematische
Erfassung aller Bürger. Die heimliche Durchsuchung von Computern hält
Schäuble für ebenso notwendig wie das Abhören intimer
Telefongespräche. Die Mautdaten, die bislang der Abrechnung im
Lkw-Verkehr dienen, möchte Schäuble der Strafverfolgung und
Vorbeugung zur Verfügung stellen. Sollte die Maut auch für Pkw
eingeführt werden, darf man die Straßen für gut kontrolliert halten.
Die Videoüberwachung in Städten wird bereits erfolgreich erprobt.
Das Sicherheitsrisiko unüberwachter Sonntagsspaziergänge wird
bislang nicht als relevant eingestuft, aber das könnte sich ändern,
wenn nicht an einer bestimmten Stelle gesagt wird: Hier ist Schluss.
Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen eine schützende
Grenze um die informationelle Selbstbestimmung gezogen. Die Art und
Weise, in der sich Schäuble über die Grenze hinwegsetzt, offenbart
ein beängstigendes Sicherheitsverständnis, das sich auch in den
Plänen zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren und dem Abschuss
entführter Flugzeuge ausdrückt.
Der Innenminister vermittelt nicht nur den Eindruck, dass es um
die Sicherheit im Lande ziemlich schlecht bestellt sei, sondern auch
den Glauben, dass allumfassende Sicherheit möglich sei, wenn nur die
Bürgerrechte ordentlich eingeschränkt würden.
Beides ist falsch. Die Bundesrepublik ist auch in Zeiten des
Terrorismus ein relativ sicheres Gelände, auf dem nicht jeden Tag der
hoffentlich nie eintretende Ernstfall geprobt werden muss. Und
hundertprozentige Sicherheit kann es nie geben.
Weil SPD und Opposition sich gegen die massiven Eingriffe wehren, darf man immerhin eine Debatte erwarten, in der nicht das technisch Machbare im Mittelpunkt steht, sondern die Abwägung des Nützlichen gegen das Vertretbare.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung