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WAZ: Der Fall Litwinenko: Der Kreml hat viel zu verbergen

Archivmeldung vom 12.12.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Hätte der Drehbuchschreiber eines Agentenfilms sich überlegt, wie er den Verdacht in einem Mordfall an einem Kreml-Gegner noch stärker als zuvor auf die Regierung in Moskau lenken könne - er hätte sich kein überzeugenderes Szenario ausdenken können als dasjenige, das von den russischen Behörden in diesen Tagen in der Realität durchgespielt wird.

Eine Reihe von Indizien spricht dafür, dass Alexander Litwinenko auf Befehl des russischen Staates ermordet wurde. Der Verdacht gegen Moskau bestand bereits, bevor englische Ermittler vor einer Woche nach Moskau kamen. Die Polonium-Spur, die Dimitri Kowtun in Hamburg hinterlassen hat, ist schließlich nicht die erste Spur, die sich auf die Zeit vor dem 1. November - dem Tag der Vergiftung Litwinenkos - zurückverfolgen lässt.

Von Beginn an unwahrscheinlich war, dass angebliche Geschäftsfeinde oder Erpressungsopfer Litwinenko ermordet haben. Wer in Russland, selbst im Ausland, jemand ermorden lassen will, heuert einen vergleichsweise billigen Profikiller an. Polonium dagegen ist teuer und stammt aus einem Forschungsreaktor oder einer anderen staatlichen Atomeinrichtung.

Hätte die russische Regierung den Verdacht entkräften wollen, dass sie etwas mit dem Mord zu tun hat, hätte sie mit den Scotland Yard-Detektiven vor allem bei der Suche nach dem Ursprungsort des eingesetzten Polonium-210 umfassend zusammenarbeiten müssen. Was aber tat Generalstaatsanwalt Jurij Tschika? Er bestritt - wie zuvor Atomchef Sergej Kirijenko -, dass überhaupt eine Untersuchung notwendig sei und schloss sie kategorisch aus.

Auch das restliche Verhalten verstärkt den Verdacht gegen den russischen Staat. Die Generalstaatsanwaltschaft spielt echte Kooperation nur vor. Englands Ermittler dürfen bei Verhören keine eigenen Fragen stellen. Kowtun wird plötzlich selbst zum angeblich mit Polonium vergifteten Opfer erklärt. Die englischen Ermittler bekommen einen anderen Zeugen - Lugowoi - erst nach einer Woche Ausflüchte endlich zu Gesicht. Kowtun fällt angeblich ins Koma - eine Lüge, die peinlicherweise umgehend entlarvt wird.

Dass diese Tatarenmeldung von der kremlnahen Interfax-Agentur verbreitet wurde, verstärkte den Eindruck, dass Logowoj und Kowtun auf Befehl, mindestens mit Wissen des Kreml, unter Staatsschutz genommen wurden. Was nur Sinn macht, wenn dieser Staat viel zu verbergen hat.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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