Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Afghanistan-Konferenz
Archivmeldung vom 02.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVielen gilt die Veranstaltung als gescheitert, noch bevor sie begonnen hat. Bei der Bonner Afghanistan-Konferenz treffen sich am Montag 100 Delegationen - nur der unmittelbare Nachbar Pakistan ist nicht dabei.
Tatsächlich hat das Bundesaußenministerium seit Monaten vorgearbeitet, Ressortchef Guido Westerwelle ist in Kabul und Islamabad mehrfach vorstellig geworden und die USA sind nicht minder am Gelingen interessiert.
Doch mit der informellen Absage Pakistans fehlt genau der Partner, ohne und gegen den nichts geht. Anlass für das Fernbleiben war der Angriff von US-Kampfhubschraubern auf einen Grenzposten, bei dem vor einer Woche 24 pakistanische Soldaten ums Leben kamen. Dabei sind die Umstände des Zwischenfalls, für den sich US-Ministerin Hillary Clinton in aller Form entschuldigte, vollkommen unklar. Selbst US-kritische Beobachter halten vielerlei Erklärungen für möglich - von Provokation über Versehen bis Falle.
Hintergrund ist, dass sich das Verhältnis zwischen den USA und Pakistan zusehends abkühlt. Seit Osama bin Laden am 2. Mai, heute vor sieben Monaten, mitten im pakistanischen Kernland von US-Kräften liquidiert wurde, tut sich ein immer breiterer Spalt zwischen beiden Ländern auf.
Zum einen stützt Washington das islamische Land mit jährlich vier Milliarden Dollar, zum anderen warf die solcherart gestützte Führung in Islamabad den USA Invasionsabsichten vor. Dennoch: Obwohl durch dieses schwere Zerwürfnis belastet, kann und muss die Bonner Afghanistan-Konferenz stattfinden. Mehr noch: Die schwierige Lage zwingt zur Realpolitik. Diplomatische Schönrednerei hat keine Chance und erlaubt nichts anderes als eine schonungslose Bilanz:
- Der Abzug der internationalen Kampftruppen bis 2014 ist auch ein Stück Kapitulation. - Die geplante Aufrechterhaltung riesiger US-Stützpunkte über 2014 hinaus dokumentiert den fortwährenden Anspruch auf Einfluss - beiderseits des Kyberpasses. - Das auch von Deutschland angestrebte zivile und entwicklungspolitische Engagement muss noch lange andauern. Andernfalls droht ein Desaster.
Ziel der Bonner Konferenz ist es, die Zeit nach dem Abzug der Kampftruppen zu planen. In den vorläufigen Papieren ist von einer weiteren »Dekade« der zivilen Unterstützung die Rede. Anfangs wurde das deutsche Engagement am Hindukusch als eine Art bewaffnetes Technisches Hilfswerk dargestellt. Die Wirklichkeit sah anders aus.
Analog bedeutet die neue Formel von der »zivilen Dekade« auf Realdeutsch: Bis 2024 zehn weitere Jahre Engagement, Entwicklungszusammenarbeit im großen Stil, Demokratieberatung und Dorfschulbau. Im übrigen hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) auch schon durchblicken lassen, dass deutsche Soldaten noch länger benötigt werden könnten...
Quelle: Westfalen-Blatt (ots)