WAZ: Von Helden und Tragödien
Archivmeldung vom 17.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs gehört zum Wesen der Tragödie, dass der Held am Ende scheitert. Sein tiefer Fall ist ebenso unausweichlich wie seine vorherige Überhöhung. Der Profifußball, keine Frage, ist Theater durch und durch, ein Schauspiel auf offener Bühne - mit Helden und Schurken. Raúl González Blanco war der geborene Held. Ein Junge aus dem Madrider Arbeiterviertel Colonia Marconi, ein Idol des europäischen Fußballs. Und dieser Raúl verzaubert auch, nein: erst recht, Schalke.
Ein schillernder Weltstar im eher wenig schillernden Gelsenkirchen, den Schalkern kam es vor wie eine Heiligsprechung. Sie nahmen den Spanier in ihr Herz auf - wegen seiner Tore, aber vielmehr noch wegen seiner Art, die so wenig allürenhaft wirkte, wegen seines zurückhaltenden Charakters, der im Gewerbe der Lautsprecher als wohltuend empfunden wurde. Ein Bild, geschürt vom Verein, transportiert von den Medien, so empfunden von Publikum. Plötzlich aber gilt dieser Raúl vielen im Verein als eine Art Diva, ein Sonderling, der seine Launen auslebt. Einer, der den Anforderungen des Mannschaftsports nicht gerecht wird - und den Klub allen offiziellen Beteuerungen zum Trotz besser verlassen sollte. Ein Held, der nicht von allein fällt, sondern gestürzt werden soll. Doch der alte Mann will nicht weichen. Warum sollte er auch? Das Publikum liebt seine Helden. Raúl weiß das. Er ist ein Profi.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (ots)