WAZ: Protest auf Mallorca: Ballermann ist überall
Archivmeldung vom 19.03.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.03.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWas wissen wir von Mallorca? Sonne, Sand, Sangria. Doch dieser Dreiklang klingt schon seit längerem falsch. Es ist eben kaum zu übersehen: Mit den wachsenden Touristenströmen wird die Insel nicht mehr fertig. Überfremdung und Ausverkauf beklagen die Einheimischen immer lauter, und der Groll entlud sich jetzt erstmals auch auf der Straße.
50 000 marschierten in der Hauptstadt für die
Rettung ihrer Heimat, vielleicht die größte Demonstration gegen die
Folgen des Massentourismus, die es jemals gegeben hat. Der Tourismus
sei so gefährlich wie eine Neutronenbombe, behauptet einer der
Wortführer der Protestaktionen. Ein starker Satz, der viel über die
kochenden Emotionen verrät.
Der Widerstand richtet sich allerdings nicht nur gegen die
Touristen. So einfach ist es nun wirklich nicht. Keine Frage: Die
Organisatoren von Pauschalreisen machen Kasse, und das nicht zu
knapp. Aber auch die Inselbewohner haben vom Ansturm profitiert.
Bittere Armut herrschte in vielen Dörfern noch vor 50 Jahren. Mit den
Gästen kam der Wohlstand, mit der ungezügelten Gier mancher Gastgeber
allerdings auch die Zerstörung. Die schönsten Küstenstreifen wurden
einbetoniert. Die Müllkippen quellen über. Autobahnen pflügen sich
durch die Olivenhaine. Jahrelang musste Wasser mit Tankschiffen
angeliefert werden, weil die Brunnen vertrockneten. Der Beliebtheit
der Insel tat das keinen Abbruch. Wer Sonne, Sand, Sangria sucht, ist
eben manchmal nicht so pingelig. Zehn Millionen Menschen fielen
allein im letzten Jahr ein, darunter 3,5 Millionen Deutsche, die
"Malle" längst eingemeindet haben.
Was man aber nicht vergessen sollte: Die größten Sünder waren im
Paradies sogar zuhause. Wie der Spekulant, der Bauunternehmer, der
Lokalpolitiker, die Hand in Hand den Bebauungsplan als Freibrief zur
Selbstbedienung begriffen. Irgendwann galt der Satz: Ballermann ist
überall.
Wer für die Rettung der Insel stritt, fand im Konzert des großen
Geldes lange kein Gehör. So ist das heute nicht mehr, lernen wir von
der Großdemo in Palma. Die Umweltdebatte hat einiges verändert, und
die aktuelle Diskussion um die Klimakatastrophe verschiebt die
Gewichte.
Es tut sich was. Und gleich an zwei Fronten. Auf Mallorca ist man nicht mehr bereit, die Zerstörung der Heimat hinzunehmen. Und in Deutschland fragt man sich: Ist Urlaub wirklich nur mit dem Flugzeug möglich? Münster statt Mallorca - diese Alternative sollte durchaus ernsthaft verhandelt werden.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung