Börsen-Zeitung: Politik pervers
Archivmeldung vom 23.09.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Gesundheitsreform - und mit ihr die große Koalition - stirbt langsam. Aber wenn sie endlich zu Grabe getragen sein wird, dann wird sie niemand vermissen: die sogenannte Reform nicht und das schwarz-rote Bündnis auch nicht.
Angela Merkel, Kurt
Beck und Co. produzieren beim zentralen Projekt ihrer Legislatur
nichts als Murks, und wären nicht wenigstens die
Unionsministerpräsidenten auf der Hut, würden die Kanzlerin, der
SPD-Chef und die sozialdemokratische Ministerin Ulla Schmidt ihren
Marsch in die Staatsmedizin ungeniert fortsetzen.
"Die Effizienz des Systems ist durch eine wettbewerbliche
Ausrichtung zu verbessern", heißt es im Koalitionsvertrag vom vorigen
November im Kapitel "Gesundheit". Und: "Ein fairer Wettbewerb
zwischen privaten Krankenversicherungen und gesetzlichen
Krankenkassen muss auf den Erhalt eines pluralen Systems und der
Kassenvielfalt zielen. Die freie Arzt- und Kassenwahl bleibt
erhalten." Das ist die Wettbewerbslüge dieser Bundesregierung. Denn
die will in Wahrheit von Wettbewerb im Gesundheitswesen nichts
wissen. Ihre Reform läuft auf die Zentralisierung und
Bürokratisierung des Beitragseinzugs und auf die Zuteilung von
Leistungen hinaus, auf den Einheitsbeitrag, das Einheitshonorar und
die Einheitskasse, auf die Kollektivierung der privaten
Krankenversicherung. Die funktioniert und ist - anders als die
gesetzlichen Kassen - dank Kapitalbildung auch "demografiefest",
passt aber nicht ins sozialistische Weltbild von Merkel und Schmidt.
Politik pervers: Ausgerechnet jenen Teil des Systems, der noch gesund
ist, will Schwarz-Rot plattmachen.
Diese Koalition regiert nach dem Motto "Allein gegen alle": gegen
gesetzliche Kassen und private Versicherer, gegen Ärzte und
Krankenhäuser, gegen Pharmaindustrie und Apotheker, nicht zuletzt
gegen Patienten, egal ob "gesetzlich" oder "privat" versichert. Aber
diese Politik ist längst gescheitert, Merkel und Beck drücken sich
nur noch davor, ihr Versagen einzugestehen. Heute sind es die
Zusatzbeiträge, über die man sich nicht einigen kann, morgen wird es
der Finanzausgleich sein, übermorgen der dreiste Versuch, gesetzliche
und private Versicherung gleichzuschalten. Dieses Reformprojekt ist
nicht zu retten. Nicht von dieser Koalition. Und so grundfalsch, wie
das Projekt angelegt ist, kann man nur sagen: zum Glück ist es nicht
zu retten.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung