Der Westen konnte Syrien nicht mit Krieg zerstören – jetzt lässt er mit Sanktionen das Volk hungern
Archivmeldung vom 21.06.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićEva Barlett schrieb den folgenden Kommentar: " Vor gut zehn Jahren lebten die Syrer in Sicherheit, physisch wie finanziell gesehen. Nach zehn Jahren Krieg gegen Syrien ist die physische Sicherheit zwar weitgehend wieder da – doch zunehmend zerstörerische westliche Sanktionen zwingen die Syrer in einen Existenzkampf."
Barlett weiter: "Der syrische Analytiker Kevork Almassian stellte treffend fest:"Wäre der Krieg im Namen des CIA-Regimewechsels, wären Bewaffnung und Ausbildung von Zehntausenden Terroristen aus vielen Ländern, wären die drakonischen Sanktionen, die ausländische Besetzung des Nordens und Ostens, wären die Plünderung des Erdöls und die Verbrennung des Weizens auf den Feldern nicht gewesen, hätte Syrien jetzt eine glänzende Wirtschaftslage und einen hohen Lebensstandard."
The fact is, were it not for the CIA regime change war, arming & training tens of thousands of multinational terrorists, draconian sanctions, foreign occupation of North & East, looting the oil & burning the wheat, Syria would've now a brilliant economy & high standard of living. — Kevork Almassian🇸🇾🇦🇲 (@KevorkAlmassian) May 31, 2021
Als ich Syrien im Jahr 2014 zum ersten Mal besuchte, aber auch in den Jahren danach, schlugen täglich Mörsergranaten und Raketen aus dem von Terrorgruppierungen besetzten Gebieten Ostghuta auf Damaskus ein; in den von der Regierung kontrollierten Gebieten in Aleppo und anderswo in Syrien ebenfalls.
Eltern wussten nie, ob ihre Kinder von der Schule zurückkehren oder in der Schule unter Beschuss geraten würden. Unzählige syrische Zivilisten wurden in den letzten zehn Jahren durch solchen Beschuss verstümmelt, unzählige weitere getötet.
Man könnte also erwarten, dass im Jahr 2021, als der Terrorismus in Syrien größtenteils ausgerottet wurde, die Syrer zu einem normalen Leben wie vor zehn Jahren zurückkehren könnten. Doch die brutalen Sanktionen stürzten die Syrer im Laufe der Jahre wörtlich in die Hölle – und unter den jüngsten Sanktionen verschlechtert sich ihr Leben nunmehr exponentiell.
Eine ganze Hälfte des letztes Jahres verbrachte ich in Syrien, weil wegen der Pandemie-Wirren die Grenzen geschlossen waren. Da ich viel Zeit hatte, lief ich täglich stundenlang durch Damaskus. Eines Nachmittags wollte ich eine schöne Aussicht über die Stadt genießen und ging durch enge Gassen den Berg Qasioun hinauf. Dort traf ich auf Einheimische, die von Gemeinschaft und gegenseitiger Unterstützung in schweren Zeiten sprachen.
Die Aussicht wollte ich auf Fotos festhalten und hielt an. Da rief die Stimme eines jungen Mädchens nach mir. Kurz darauf saß ich in einer bescheidenen Stube, trank kaltes Wasser und unterhielt mich mit seiner Familie.
Nur durch Zufall erfuhr ich, dass der Vater an Prostatakrebs erkrankt war und sehr unter dem Mangel an bezahlbaren Medikamenten litt: Diese waren aufgrund der Sanktionen immer schwerer zu beschaffen – und das war noch im April, also Monate bevor das US-Gesetz mit dem sadistisch-hämischen Namen Caesar Syria Civilian Protection Act in Kraft trat.
Sadistisch, weil die von diesem Gesetz vorgesehenen Sanktionen zwar angeblich die syrische Regierung und ihre Verbündeten ins Visier nehmen, um angebliche "Kriegsverbrechen" gegen Zivilisten zu bestrafen und vor weiteren abzuschrecken – in Wirklichkeit aber ebendiesen syrischen Zivilisten endloses Leid zufügen. Damit prahlte, wie ich früher schrieb, der frühere US-Sondergesandte für Syrien James Jeffrey. Berichten zufolge äußerte er, dass die Sanktionen "zum Kurskollaps des syrischen Pfundes beigetragen" haben.
Dieses Muster konnten wir im Hinblick auf westliche Sanktionen bereits beobachten – in Venezuela machten sie nicht nur das Leben der Menschen zur Hölle, sondern erwiesen sich, wie ich auch bereits schrieb, als Mord an bis zu 40.000 Venezolanern in der Zeitspanne von nur einem Jahr. Dahingehende Daten lieferte das Center for Economic and Policy Research.
Ein kürzlich erschienener Gastartikel in der Financial Times befasste sich mit der andauernden (konzertiert von außen herbeigeführten) Wirtschaftskrise in Syrien. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Sanktionen, und es wird festgestellt, dass 60 Prozent der Syrer unter Ernährungsunsicherheit leiden.
In Wirklichkeit könnte diese Zahl sogar wesentlich höher liegen, denn in einem Artikel auf Just Security vom Juli 2020, in dem die Rechtswidrigkeit der Sanktionen detailliert beschrieben wurde, nannte die Autorin 83 Prozent als Anteil der syrischen Bevölkerung, der unterhalb der Armutsgrenze lebe. Dieser Artikel bemerkte zu den Caesar-Sanktionen:
"Anders als die zuvor bestehenden Sanktionen gelten diese für Transaktionen überall auf der Welt, die die syrische Regierung oder bestimmte Sektoren der syrischen Wirtschaft betreffen – selbst wenn diese Transaktionen keinerlei Verbindung zu den Vereinigten Staaten aufweisen.
Solche Sanktionen legen die Wirtschaft eines Staates lahm, unterbrechen die Lieferbarkeit von Lebensmitteln, Medikamenten, Trinkwasser sowie Hygiene-, Reinigungs- und Kommunalbedarfsgütern, stören die Funktion des Gesundheits- und Bildungssystems und untergraben die Arbeitsfähigkeit der Menschen."
"Dies sind keine unbeabsichtigten Nebeneffekte – sie sind der ganze Zweck der Übung."
Der FT-Artikel bemerkt, dass nach Inkrafttreten des Caesar-Gesetzes das syrische Pfund "in den folgenden Monaten fast 70 Prozent seines Kurses gegenüber dem US-Dollar verlor. Dies löste eine Inflationsspirale aus, die sich auf die Lebensmittelpreise auswirkte: Diese haben sich im Jahr 2020 mehr als verdreifacht".
Und ganz im Gegenteil zur Behauptung der USA, die Syrer mit diesen Sanktionen zu "schützen", beeinträchtigt das Caesar-Gesetz "die lokale Wirtschaft vor allem im Bau-, Energie- und Finanzsektor auf das Schwerste und blockiert jegliche Möglichkeit eines Wiederaufbaus in dieser Phase des Konflikts geringerer Intensität".
Obwohl ich die Ereignisse in Syrien nach meiner Abreise Ende September 2020 weiterverfolgte, war selbst ich bei meiner Rückkehr in der letzten Maiwoche 2021 über die durch die Decke gegangenen Preise für Grundlegendes sehr überrascht. Etwa ein halbes Kilo Hummus, das letztes Jahr noch 400 syrische Pfund kostete, kostet jetzt 2.200. Beim aktuellen offiziellen Wechselkurs von 2.500 zu 1 ist das etwas weniger als ein US-Dollar – aber das Durchschnittsgehalt in Syrien liegt auch bei 50.000 bis 60.000 syrischen Pfund pro Monat.
Im FT-Artikel heißt es, dass ein Kilogramm Rindfleisch "etwa ein Viertel des durchschnittlichen Monatsgehalts eines öffentlichen Angestellten kostet. Zum Vergleich: In Italien entspräche das 700 € pro Kilogramm. In Großbritannien? 300 £ pro imperiales Pfund".
Ich unterhielt mich mit einem Freund, der nur ein Kind hat. Er schilderte, 15.000 syrische Pfund (ca. 6 US-Dollar) für Gemüse auszugeben, mit dem die Familie mehrere Tage auskommt. Damit ist ein Viertel seines Gehalts weg, und viele andere Ausgaben stehen dann noch erst an.
Das Midan-Viertel in Damaskus ist normalerweise voller Shoppingfreunde, die zu den berühmten Süßwarengeschäften kommen. An dem Tag, an dem ich dort war, war Midan jedoch nicht gerade überfüllt. Dort schilderte ein Zigarettenverkäufer, mit dem ich mich unterhielt, wie er das tägliche Brot für seine Frau und seine beiden Söhne wortwörtlich erkämpfen muss. Wie für die meisten Syrer ist der Zigarettenverkauf für ihn ein Zweitverdienst. Manche haben drei Jobs, arbeiten von morgens früh bis spät abends – und kommen trotzdem nicht über die Runden.
Er spricht von der Selbstversorgung, die Syrien vor dem Krieg bewerkstelligte, davon, wie damals jeder Arbeit hatte, aber jetzt die Menschen förmlich ersticken.
"Wir müssen rationieren! Früher habe ich jeden Monat ein Kilo Fleisch gekauft, aber jetzt kaufe ich 200 Gramm. Mein Gehalt beträgt 55.000, und wenn ich mit dieser zweiten Arbeit hier 50.000 dazuverdienen kann, habe ich 100.000 syrische Pfund. Aber dieser Betrag reicht immer noch nicht aus!
Gestern habe ich etwas Joghurt, Käse, eine Packung Mortadella und eine Schachtel Papiertücher gekauft. Ich habe 11.000 syrische Pfund bezahlt. Das war nur für einen Tag – und nur für das Frühstück."
Ihm zufolge wirkt sich der durch Sanktionen bedingte Mangel an Düngemitteln und Insektiziden unmittelbar auf die Landwirtschaft aus.
In Damaskus traf ich mich auch mit dem französischen humanitären Helfer Pierre Le Corf,
der seit sechs Jahren in Syrien lebt – die meiste Zeit davon in Aleppo.
Le Corf, der in Aleppo mit einigen der ärmsten und am stärksten
betroffenen Syrer arbeitet und lebt, sprach davon, wie die Sanktionen darauf abzielen, nicht nur Zivilisten zu töten, sondern auch die Hoffnung:
"Man sieht vielleicht keine verhungernden Menschen auf der Straße, aber das macht das Leid nicht allein aus. Die Menschen leiden im Stillen. Immer mehr junge Menschen verlassen das Land, nicht weil sie Syrien verlassen wollen oder sich hier unterdrückt fühlen, sondern aus dem Gefühl heraus, keine Hoffnung mehr zu haben.
Der Kurs der Währung ist von 50 syrischen Pfund [für einen US-Dollar, vor dem Krieg] auf 4.000 syrische Pfund gegangen. Da arbeiten die Menschen also von morgens bis abends, und am Ende des Tages fragen ihre Kinder vielleicht nach einer Banane. Ein Kilogramm Bananen kostet 5.000 syrische Pfund, und wenn man 60.000 im Monat verdient ..."
Quelle: RT DE von Eva Barlett