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New-Age Mythen entlarvt: "Bin ich wirklich für alles was mir passiert selbst verantwortlich?"

Archivmeldung vom 27.07.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.07.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die Idee, dass wir 'selbst verantwortlich sind für alle Erfahrungen, die wir anziehen', scheint in New-Age Kreisen recht populär zu sein, aber sie ist auch ein großer Zankapfel. Viele finden die Vorstellung höchst respektlos, dass beispielsweise ein Vergewaltigungsopfer oder Menschen, die während einer Naturkatastrophe oder im Krieg sterben, selbst dafür verantwortlich sind, dass sie dieses Schicksal erleiden.

Was bedeutet 'verantwortlich' überhaupt?

Dies ist aus der Definition von Merriam-Webster:

1
a : zur Antwort verpflichtet
b (I) : die primäre Ursache, der primäre Beweggrund, oder der primäre Akteur in etwas (II) : der Grund oder die Erklärung für etwas
c : zu einer rechtlichen Überprüfung verpflichtet, wobei Fehlverhalten zu Strafen führen kann

2
a : fähig für sein Benehmen und seine Verpflichtungen geradezustehen : vertrauenswürdig
b : fähig selbstständig zwischen richtig und falsch wählen zu können

3
: etwas, das Verantwortlichkeit oder eine Rechenschaftspflicht mit einbezieht

Bin ich also für alles 'verantwortlich', das mir in meinem Leben passiert?

1a: Ja. Ich antworte oder reagiere auf alles. Egal mit welcher Situation ich konfrontiert werde, ich muss immer eine Entscheidung treffen. Ich kann nicht nicht auf die ein oder andere Weise reagieren, selbst wenn meine Antwort oder Reaktion bedeutungslos erscheinen mag oder eine Nicht-Antwort ist.

Ich habe in jeder Situation die Fähigkeit zu handeln, selbst wenn meine Handlung lediglich darin besteht, über meine Absicht oder Einstellung zu entscheiden. Dies ist eine Handlung, denn fokussierte Absicht geht der Manifestation voraus und ist daher Teil des Prozesses der Manifestation.

1b: Nein. Wir sind alle Mitschöpfer und unsere persönliche Verantwortlichkeit für ein bestimmtes Ereignis ist jeweils unterschiedlich. Alle Dinge entstehen in Abhängigkeit von vielen Ursachen und Umständen.

1c: Ja. Nichts, was in meinem Leben passiert, ereignet sich in einem kompletten Vakuum, meine Taten ziehen Konsequenzen nach sich.

2: Hier wird Verantwortlichkeit synonym mit Vertrauenswürdigkeit und ethischem Bewusstsein oder Anstand verwendet. Beweise ich diese Qualitäten in meinem Leben? Nun, jedenfalls beabsichtige ich es.

3: Hier bedeutet Verantwortlichkeit Rechenschaftspflicht oder Umsicht. Mischung aus 1c und 2.

Verantwortlichkeit ruht also offensichtlich auf vielen Schultern. Jeder, der bewusste und kreative Macht hat, ist generell auf die ein oder andere Weise verantwortlich.

Und was ist mit der Idee, dass man Erfahrungen 'anziehen' würde?

Wir alle streben bewusst oder unbewusst danach unser wahres Selbst zu entfalten, und um das zu tun ist es förderlich in Umgebungen und Situationen zu sein, in denen wir die Erfahrungen machen können, nach denen wir uns sehnen. Daher gibt es eine ganz natürliche Anziehung hin zu bestimmten Situationen, Umgebungen und Menschen.

Deshalb denke ich, dass das Gesetz der Anziehung existiert – aber es ist nicht die einzige universelle Wirkkraft. Es gibt eine Vielzahl von Gesetzen und Kräften, die gemeinsam betrachtet angemessen erklären können wie und warum etwas passiert. Nur Bruchstücke dieser Gesetze herauszupicken und zu behaupten, dass dies alles sei, ist natürlich zu kurz gegriffen.

Der folgende Versuch, die essentiellen Wirkkräfte auf der aktuellen menschlichen Erfahrungsebene zu beschreiben, stammt aus Messages for the Groundcrew:

1. Das Gesetz der Anziehung:
was ähnlich ist, zieht sich gegenseitig an

2. Das Gesetz der bewussten Absicht:
was beabsichtigt wird und resolut in den Gedanken, Worten und Taten festgehalten wird, manifestiert sich

3. Das Gesetz des Zulassens:
dem, was beabsichtigt ist, erlauben sich zu manifestieren, während man bewusst und aufmerksam den Beobachter-Modus benutzt und weiterhin seinen Fokus aufrechterhält ohne sich dabei starr an ein ganz bestimmtes Resultat zu klammern (dem Gedachten erlauben selbst zu denken!)

4. Das Gesetz der Ausgeglichenheit:
das Anwenden der ersten drei Gesetze, während man im Augenblick fokussiert ist

Man kann das Gesetz der Anziehung benutzen, aber wenn andere ihre bewusste Absicht dazu benutzen dich daran zu hindern etwas anzuziehen, dann wirst du es schwer haben, dein Ziel zu erreichen. Diese Gesetze scheinen vielleicht widersprüchlich zu sein, aber ich denke, sie ergänzen sich gegenseitig.

Am schwierigsten zu verstehen ist vermutlich das Gesetz des Zulassens. Dieses Gesetz beschreibt kein teilnahmsloses Nichtstun. Sei dir bewusst, dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen einer zulassenden und einer gleichgültigen Haltung gibt. Man benutzt zunächst das Gesetz der bewussten Absicht um etwas in Bewegung zu setzen, aber bei jedem Unterfangen muss man anerkennen, dass man im Vorhinein unmöglich den kompletten Ablauf und das genaue Ergebnis eines Projekts vorhersehen kann.

Man wendet das Gesetz des Zulassens an, indem man darauf vertraut, dass alles so perfekt wie möglich ineinander greifen wird, wenn man den Fokus seiner Absicht in seinen Gedanken, Worten und Taten aufrechterhält. Goethe hat dies auf folgende Weise beschrieben: "In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung auch. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen. Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung, und er sorgt zu den eigenen Gunsten für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen und Hilfen, die sich kein Mensch vorher je so erträumt haben könnte."

Ein weiteres universelles Gesetz ist das Gesetz von Ursache und Wirkung. Alles ist logisch, selbst wenn wir in unserer gegenwärtigen Situation die Logik von etwas möglicherweise nicht erkennen können. Wenn dir etwas passiert, egal was es ist, passiert es nicht rein zufällig.

Einige deiner unterbewussten oder bewussten Wünsche oder Grundhaltungen können tatsächlich negative Erfahrungen anziehen, was dir aber dabei helfen kann, dir deiner inneren Schattenseiten bewusst zu werden. Auf der anderen Seite gibt es Fälle, in denen Menschen teilweise auf wundersame Weise davor bewahrt wurden in negative oder lebensgefährliche Situationen zu gelangen oder aus ihnen gerettet wurden. In diesen Fällen könnte ihre Geisteshaltung durchaus schützende Zufälle angezogen haben.

Aber manchmal gelangt man auch einfach nur deswegen in eine negative Situation, weil man ein willkommenes Opfer für jemanden ist, der mehr persönliche Macht hat als man selbst, und der diese Macht nutzt um einen anderen auszunutzen oder ihm zu schaden. Unser Mangel an persönlicher Macht – egal ob kollektiv oder individuell – ist natürlich ein Umstand, der uns zu Opfern machen kann.

Karma ist ein weiterer wichtiger Aspekt, der berücksichtigt werden sollte. Ich verstehe, dass du vielleicht nicht an Reinkarnation glaubst, was logisch ist, wenn du keine überzeugenden Erfahrungen gemacht hast oder noch nicht genügend Indizien für die Existenz von Reinkarnation gesehen hast. Wie dem auch sei, bitte sei unvoreingenommen und verurteile nicht, was du nicht verstehst, wenn ich sage, dass deine Erfahrungen in diesem Leben möglicherweise Teil deines persönlichen Karmas oder eines Gruppenkarmas sind. Das bedeutet, dass du in der Tat die Nachwirkungen deiner eigenen Taten in vergangenen Leben zu spüren bekommst oder die Nachwirkungen der Taten der Gruppe, in der du jetzt lebst.

Wenn man sich all diese Möglichkeiten ansieht – und es gibt sicherlich noch sehr viel mehr – ist es klar, dass du nicht allein verantwortlich bist für alles, was dir passiert. Dennoch sollten wir nach mehr Verantwortlichkeit streben, denn im bewussten und aufrichtigen Streben danach in jeder Situation mehr Verantwortung zu übernehmen findet eine Selbstermächtigung statt, bei der äußere Einflüsse schrittweise ihre Macht über einen verlieren.

Je verantwortlicher du bist, desto mächtiger bist du, desto freier bist du. In Becoming heißt es: Verantwortlichkeit und Freiheit sind austauschbare Begriffe. Verantwortlichkeit geht nicht einher mit einer Täter/Opfer Einstellung. Es geht um die Einstellung. Wenn man darauf fokussiert ist verantwortlich zu sein, heißt das nicht, dass man nie mehr ein Opfer von etwas oder jemandem sein wird. Aber man findet sich nie mehr damit ab ein Opfer zu bleiben. Deine Absicht ist darauf ausgerichtet dich selbst zu ermächtigen um in jeder Situation einen möglichst großen Einfluss ausüben zu können. Deshalb ist es für deine Entwicklung wichtig, diese Einstellung und diesen Fokus zu haben.

Schaue also mit einem Auge auf den Weg und sei dir bewusst, dass dort andere mit diversen Absichten ihren Einfluss auf dich ausüben. Mit dem anderen Auge schaue auf dein Ziel, deine Selbstermächtigung, die dich dazu befähigt, deinen Weg eigenverantwortlich und frei selbst zu bestimmen.

Der meiner Ansicht nach beste Weg verantwortlicher zu werden ist es, die Energie der Liebe durch sich fließen zu lassen und ihr zu erlauben all deine Gedanken, Worte und Taten zu beleben. Du kannst allerhand Kunstgriffe anwenden um dir für eine gewisse Zeit lang einen Vorteil gegenüber anderen zu verschaffen, aber auf lange Sicht ist es nur Liebe, die dich wirklich ermächtigt und zu mehr Verantwortlichkeit führt.

Ich glaube, dies ist der schwierigste Weg etwas zu erreichen, der subtilste, aber auch der nachhaltigste. Egal in welcher Situation du bist, egal wie verzweifelt etwas scheinen mag, die Antwort auf das Problem ist immer; lass das, was du tust, von noch mehr Liebe erfüllt sein. Und wieder, und wieder.

Auf diese Weise kannst du Schmerz, Ignoranz und Feindseligkeit mit Liebe begegnen. Das bedeutet nicht, dass du dich und andere, die misshandelt werden, nicht gewaltsam verteidigen solltest, falls es dazu kommen sollte, und es bedeutet auch nicht, dass du dich von negativen Dingen im Leben abwenden solltest. Dies sind falsche Vorstellungen von gewissen Menschen in New-Age Kreisen.

Es ist nicht so, dass Negativität dadurch am Leben erhalten wird, dass man sie sich ansieht. Sich etwas anzusehen heißt einfach, sich dessen bewusst zu sein, und das ist eine gute Sache! Negative Konsequenzen entstehen erst dann, wenn man aufgrund seines Wissen über negative Dinge dem Hass oder der Furcht erlaubt in einem sesshaft zu werden. Die Herausforderung liegt also darin dir Chaos, Schmerz und negative Tendenzen ansehen zu können, ohne dass dies dem Frieden und der Harmonie in deinem Inneren etwas anhaben kann.

Manche bestehen darauf, dass Wut über eine abscheuliche Situation natürlich und gesund ist. Aber wichtiger als wütend zu werden ist es, etwas zu tun um etwas an der jeweiligen Situation zu ändern. Dazu muss nach nicht wütend sein, aber die Wut, die man unter Umständen zunächst verspürt, kann eine nützliche Kraft sein, wenn man diese rohe Kraft in angemessene kreative Handlungen umleitet.

Martin Luther King sagte: "Unsere Leben enden an dem Tag, an dem wir über wichtige Dinge zu schweigen beginnen." Aber während du deine Stimme erhebst und aktiv der Wandel bist, den du auf der Welt sehen willst, dann sei es mit Eleganz und erlaube niemandem "dich weit genug herunterzuziehen um ihn zu hassen". Denn "Dunkelheit kann nie Dunkelheit vertreiben; nur Licht kann das. Hass kann niemals Hass vertreiben; nur Liebe kann das."

Stehe auf und verteidige dich und andere vor denjenigen, die andere ausnutzen und ihnen schaden wollen. Solch ein Verhalten sollten wir nicht tolerieren. Aber tue es mit innerem Frieden und erfüllt von Liebe. Denn wie Buddha sagte: "Groll mit uns herumzutragen ist wie das Greifen nach einem glühenden Stück Kohle in der Absicht, es nach jemandem zu werfen. Man verbrennt sich nur selbst dabei." Er sagte auch, es sei wie "Gift zu trinken und zu erwarten, dass der andere dadurch stirbt".

Ich hoffe, dass dieser Artikel dich dazu inspiriert zu einem umfassenderen Verständnis von Themen zu gelangen, die Menschen verärgern und untereinander spalten. Wenn wir etwas hören, mit dem wir nicht übereinstimmen und unsere Energie dann in einer Kniereflexreaktion nur darauf fokussieren eine bestimmte Ansicht zu verurteilen, erreichen wir längst nicht so viel, als wenn wir uns darauf fokussieren zu einer höheren Einsicht zu gelangen, die sowohl denen hilft, die anscheinend einen Mangel an Verständnis aufweisen, als auch denen, die von einer bestimmten Ansicht verärgert sind.

Quelle: Kommentar/Text von Christian Stolle  - www.we-are-change.de

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