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Mittelbayerische Zeitung: Eine Wutwahl im Königreich

Archivmeldung vom 23.05.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.05.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Schon am 23. Mai - denn im Königreich wird traditionell an einem Donnerstag gewählt - sind die Briten aufgerufen, ihre 73 Abgeordneten für das Europarlament zu bestimmen. Es ist eine Wahl, die kaum jemand will. Bei den Bürgern herrscht blankes Unverständnis. Wir haben doch für den Brexit gestimmt, heißt es, warum sollen wir da noch in Europa mitmachen?

Weil ihr, zumindest bis zum 31. Oktober, immer noch Mitglied der EU seid, ist die Antwort, aber das macht die Briten nur noch wütender. "Brexit-Zorn", konstatierte das Massenblatt "Daily Express" über "die Europawahlen, die den Steuerzahlern 150 Millionen Pfund kosten". Es wird eine Wutwahl, das ist sicher, und am härtesten wird es die Regierungspartei treffen. Schließlich haben die Konservativen das Brexit-Referendum angesetzt, sich danach zur Partei erklärt, die den EU-Austritt umsetzen will, und es offensichtlich vermasselt. Schon bei den Kommunalwahlen Anfang Mai gab es eine schallende Ohrfeige. Am 23. Mai erwartet die Konservativen "ein absoluter Wahl-Tsunami", wie der Tory und Brexit-Hardliner Mark Francois fürchtet. Viele seiner Parteikollegen treten einfach in einen Streik und verweigern die Mithilfe beim Wahlkampf. Geld ist auch keines da. "Es ist verrückt", sagt Sajjad Karim. "Wir hätten diese Wahl verbissen führen sollen."

Karim, seit 15 Jahren Mitglied des Europaparlaments, ist der Spitzenkandidat der Konservativen in der Region Nordwest-England. Er bestreitet den Wahlkampf ohne Personal und finanziert ihn auch selbst. Seine Partei, klagt er, habe von Anfang an klargemacht, dass man die Europawahlen nicht wolle und sich nicht engagiert. Tatsächlich gibt es weder ein Wahlprogramm der Torys, noch eine Eröffnungsrede der Parteichefin und Premierministerin Theresa May. Die Strategie der Konservativen scheint zu sein, dass die minimalen Anstrengungen hinterher der Premierministerin eine Entschuldigung für die schlechten Resultate liefern sollen. Nach den jüngsten Umfragen sieht es verheerend aus: Die Regierungspartei käme laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov mit neun Prozent auf den fünften Platz, knapp hinter den Grünen. Die größte Oppositionspartei Labour dagegen kann von der Malaise der Torys nicht profitieren. Auch sie trifft der Zorn der Wähler, weil die Arbeiterpartei keine klare Stellung zum Brexit bezieht.

Ihre offizielle Position ist ein weicher Brexit: Man will das Referendums-Resultat respektieren, also austreten, aber einen möglichst engen Schulterschluss mit der EU bewahren. Das stand im Wahlprogramm, aber die Mehrheit der Partei wie auch ihrer Wähler wünschen sich eine Rücknahme des Austrittswunsches durch ein zweites Referendum. Die Liberaldemokraten haben dagegen eine glasklare Botschaft, wenn auch etwas vulgär ausgedrückt. "Bollocks to Brexit", etwa: Scheiß auf den Brexit, lautet ihr offizieller Wahlkampfslogan. Die LibDems erzielen in der YouGov-Umfrage erstaunliche 16 Prozent und liegen damit vor Labour an zweiter Stelle.

Das "Remain"-Lager derjenigen, die in der EU verbleiben möchten, ist in mehr als ein halbes Dutzend Parteien zersplittert. Von der neuen Partei "Change UK", die von abtrünnigen Labour- und Tory-Abgeordneten gegründet wurde und die eine zentristische Remain-Botschaft verkündet, hatte man sich einen Durchbruch versprochen. Doch "Change UK" fehlt es an Basis und Infrastruktur und kommt nur auf fünf Prozent. Die Zersplitterung der Remain-Stimme erlaubt der "Brexit-Partei" von Nigel Farage einen Durchmarsch. Farage kann erfolgreich die Stimmen der Europahasser im Vereinigten Königreich bündeln: Sowohl von seiner alten Ukip-Partei wie von den Konservativen kommen die Wähler, die laut YouGov seiner Brexit-Partei mittlerweile stolze 35 Prozent Stimmanteil verschaffen.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots) von Jochen Wittmann

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