Berliner Morgenpost: Obamas Nahost-Politik ist das eigentliche Problem
Archivmeldung vom 18.03.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittMan wird sich schnell darauf einigen können, dass Israels Entscheidung, 1600 Wohneinheiten in Ostjerusalem zu bauen, nicht nur schlecht getimt war, sondern überhaupt wenig hilfreich. Die wütende, im Umgang mit Verbündeten geradezu unerhörte Reaktion aus Washington ist aber nicht nur weit übertrieben. Sie verrät auch, wie viel Frust sich in der Obama-Regierung angesammelt hat.
Man möchte nur zu gerne Israel verantwortlich machen für die mangelnden Resultate der obamaschen Nahostpolitik. Dabei sind die Misserfolge auch das Ergebnis gefährlich naiver Politik Washingtons. Um den Nahost-Friedensprozess wieder flottzumachen, hatte Obama allen Seiten etwas versprochen. In seiner Kairoer Rede hatte er sich für einen israelischen Siedlungsstopp eingesetzt. Die Palästinenser sollten an den Verhandlungstisch zurückkehren, und den Israelis stellte man Gesten des guten Willens und der Annäherung vonseiten arabischer Staaten in Aussicht. Unter erheblichem Druck hat Israel dann einem neunmonatigen Moratorium beim Siedlungsbau im Westjordanland zugestimmt. Das war nicht ganz so viel, wie Obama sich erhofft hatte, aber weit mehr, als jeder israelische Regierungschef vor Benjamin Netanjahu zu geben bereit war. Bekommen haben die Israelis dafür so gut wie nichts. Die Palästinenser erklärten sich nur zu "indirekten" Gesprächen bereit. Nachdem Obama den Mund sehr voll genommen hatte mit der Forderung nach einem kompletten Siedlungsstopp, konnte sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas eben nicht ohne Gesichtsverlust nachgiebiger zeigen als die Amerikaner. Die arabischen Staaten waren ihrerseits zu gar keiner Annäherung bereit und haben nur ein altes Angebot erneuert. Warum sollten sie sich aus dem Fenster lehnen, wenn Obama ihnen die israelischen Konzessionen frei Haus liefert? Da ist es kein Wunder, wenn die Israelis das Gefühl haben, dass ihre Zugeständnisse nur immer Forderungen nach neuen Zugeständnissen nach sich ziehen - ohne dass sie eine Gegenleistung bekommen. Bei allen Fehlern, die Israel natürlich selbst gemacht hat, ist es doch bezeichnend, dass die Wortwahl der US-Regierung gegenüber den friedensfeindlichen Autokratien der Region weit freundlicher ist als gegenüber dem demokratischen Verbündeten Israel. Aber weder beim Iran noch bei Syrien sind die Amerikaner weitergekommen. Die Mullahs haben sich bei der Atomfrage weiter verhärtet. Und auch die Entsendung eines US-Botschafters als Zeichen der neuen Einbindungspolitik gegenüber Syrien wurde nicht honoriert. Stattdessen organisierte Baschar al-Assad in Damaskus ein öffentlichkeitswirksames Treffen mit Irans Mahmud Ahmadinedschad und dem Chef der Hisbollah, um zu zeigen, dass die nahöstliche Terror- und Ablehnungsfront weiter steht. Obama hat also einen treuen Verbündeten in die Ecke gedrängt, ohne irgendetwas voranzubringen. Inzwischen ist gar der Eindruck entstanden, Washington sei ein Führungswechsel in Jerusalem wichtiger als einer in Teheran oder Damaskus. Das ist die erschreckende Bilanz von Obamas Nahostpolitik.
Quelle: Berliner Morgenpost