Gespalten: Zur Kraftwerksbranche
Archivmeldung vom 09.08.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićWer eine halbe Milliarde Euro versenkt, der hat ein Problem. Dies gilt erst recht, wenn das Geld innerhalb von nur drei Monaten verschwindet. Siemens Energy steht vor genau diesem Phänomen. Der Quartalsverlust ist gewaltig, selbst in Relation zum Umsatz von gut 7 Mrd. Euro. Die Abkehr von Russland und die roten Zahlen der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa zehren an der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Doch die Sache ist weniger eindeutig, als die Zahlen nahelegen. In Wahrheit ist Siemens Energy kein klarer Fall, sondern ein multipel gespaltenes Unternehmen.
Die offenkundigste Spaltung ist jene zwischen öffentlicher Bedeutung und betriebswirtschaftlichem Resultat. Nach dem Angriff Russlands gibt es für die Wirtschaft hauptsächlich ein Thema: die Verfügbarkeit und der Preis von Energie. Siemens Energy spielt als Weltmarktführer in Teilen des Kraftwerkgeschäfts also eine wirklich wichtige Rolle. Doch der Konzern kann daraus kaum Kapital schlagen.
Siemens Energy ist aber auch in sich gespalten. Auf der einen Seite steht die Tochter Siemens Gamesa. Sie schien die Inkarnation der Boombranche erneuerbare Energien zu sein, enttäuscht die Investoren aber mit grausamer Regelmäßigkeit. Auf der anderen Seite galt die Sparte Gas and Power, die konventionelle Kraftwerke ebenso baut wie Technik für die Stromübertragung, als hoffnungsloser Fall. In Wirklichkeit rettet nun die Sparte Gas and Power dem Konzern seine Jahresprognose für das operative Geschäft durch solides Wirtschaften.
Eine dritte Spaltung ist temporaler Art. Heute sind die Ergebnisse niederschmetternd, in der Zukunft werden sie mitreißend sein. Die Käufer rennen der Vertriebsabteilung die Bude ein - ganz einfach, weil der Umbau des Energiesystems enorme Investitionen verlangt.
Spaltungen sind keine gesunde Sache. Siemens Energy packt den internen Bruch an, indem die Tochter Siemens Gamesa komplett übernommen wird. Um gesellschaftliche Bedeutung und Betriebswirtschaft in Einklang zu bringen, gilt es auch dafür zu werben, dass Energie und Versorgungssicherheit einen anderen Preis haben.
Am wichtigsten aber ist es, den Spalt zwischen trister heutiger Realität und goldener Zukunft schnell zu überwinden. Der Konzern setzt aktuell beeindruckende Preiserhöhungen durch. Aber er muss auch technologisch führend sein. Siemens Energy bringt in dem Geschäft eine enorm lange Erfahrung mit. Dies gilt es zu nutzen mit einer Strategie, die aus einem Guss ist und die im Alltag bruchlos umgesetzt wird.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Michael Flämig