Die Leipziger Volkszeitung zu Beck/Koalition
Archivmeldung vom 30.04.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs kann nicht gut um die SPD bestellt sein, wenn sogar der oberste Gewerkschaftsboss lobende Worte für die Kanzlerin findet. Er schätze die pragmatische Art von Angela Merkel, lobte DGB-Chef Sommer den unaufgeregt professionellen Arbeitsstil der CDU-Chefin.
Unmittelbar vor dem Tag der Arbeit, an
dem traditionsgemäß Gewerkschafter und Sozialdemokraten den
Schulterschluss suchen, wieder eine kleine Ohrfeige für die Genossen.
Schmerzhaft, weil sie von einem vermeintlichen Partner kommt.
Symptomatisch, weil sie sich einreiht in die Demütigungen der letzten
Wochen.
In Anbetracht miserabler Umfragewerte, einer Minister-Riege, die
deutlich im Schatten der Unionskollegen steht und einer bedrohlichen
Anämie bei der politischen Themensetzung, greift die angefressene SPD
jetzt zur großen Keule - und warnt vor der Auflösung der Koalition.
Wenn fast nichts mehr hilft, muss also die Drohkulisse her. Dass
ausgerechnet der Streit um die Erbschaftssteuer zum Anlass genommen
wird, um sich vor der Union als starker Partner aufzubauen, zeigt
nur, wie groß der Grad der Verzweiflung unter den Genossen inzwischen
sein muss. Sonst würde man wohl kaum auf die Idee kommen, sich mit
einem derartigen Randthema auf Profilsuche zu begeben.
Andersherum betrachtet, lässt das auch den Schluss zu, dass die
Erbschaftssteuer neben den Forderungen nach einem gesetzlichen
Mindestlohn so ziemlich die einzigen Themen sind, hinter denen sich
die SPD noch geschlossen versammeln lässt. Bei anderen, traditionell
sozialdemokratischen Feldern, hat mittlerweile die Union das Kommando
übernommen.
Nirgends lässt sich das besser besichtigen als in der Familien- und
Sozialpolitik. Ministerin Ursula von der Leyen zwingt die
Konservativen derartig auf ihren neuen Kurs, dass sogar viele in der
eigenen Partei Mühe haben, ihr zu folgen. Beim Wähler scheint das
anzukommen, die forsche CDU-Ministerin steht in der Beliebtheitsskala
neben der Kanzlerin ganz oben, obwohl sie bei der Finanzierung ihrer
Offensive für mehr Kinderkrippenplätze selbst immer stärker ins
Schleudern gerät.
Im Gegensatz dazu leidet die SPD immer mehr unter einem
Wahrnehmungsproblem. Die öffentlichen Themen diktieren aktuell die
Ressortchefs der Union, neben von der Leyen derzeit noch
Innenminister Wolfgang Schäuble. Auch an ihm prallen wie an der
Familienministerin alle Profilierungsversuche ab. Von der Leyen
betreibt im Prinzip sozialdemokratische Politik im konservativen
Gewand und Schäuble setzt nur das fort, was sein SPD-Vorgänger schon
begonnen hatte. Die jetzt heftig kritisierten heimlichen
Online-Schnüffeleien der Geheimdienste waren vom roten Sheriff Schily
per Dienstvorschrift noch abgesegnet worden.
Die Empörung über dieses Verfahren dicht am Verfassungsbruch fällt
damit auf die SPD zurück. Auch für die Drohgebärden gegenüber der
Union dürfte es nur wenig öffentliches Verständnis geben. Sicher, die
anziehende Konjunktur und die besseren Arbeitsmarktdaten sind nur
bedingt auf politische Weichenstellungen zurückzuführen. So schlecht
allerdings arbeitet die große Koalition wiederum nicht, um sie
vorzeitig scheitern zu lassen. Sollte es die SPD darauf ankommen
lassen, wäre das ein klassisches Eigentor.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung