WAZ: US-Präsident verärgert Steinmeier
Archivmeldung vom 13.07.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn die Mächtigen den Eindruck haben, sie seien unter sich, verzichten sie manchmal auf diplomatische Kunst und reden mal so ganz normal.
"Ach, Sie haben schon gewonnen." Man kann sich gut vorstellen, wie Barack Obama das leichthin zu Angela Merkel gesagt hat. Höchstwahrscheinlich war ihm in diesem Augenblick nicht bewusst, dass die Bemerkung aufgezeichnet werden würde. Es handelt sich wohl um ein klassisches Missgeschick.
Auf die vom Pech verfolgte SPD und ihren Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier wirkt es natürlich verstörend, in dieser Art von Obama abgeschrieben zu werden. Eigentlich hofften die Sozialdemokraten, das Herz des demokratischen US-Präsidenten schlage ziemlich weit links. Und die häufig veröffentlichte Analyse, Obama und Merkel pflegten einen leicht unterkühlten Umgang, schien das zu bestätigen. Aber auch Sozialdemokraten wissen, wie Machtpolitik funktioniert, und Obama ist ein Machtpolitiker, obwohl er das meistens charmant zu verbergen weiß. Als Machtpolitiker orientiert sich Obama nüchtern an Perspektiven. Und Merkel hat - nüchtern betrachtet - die besseren Aussichten auf die Bundestagswahl. Wenn Sozialdemokraten dünnhäutig auf Obamas Prognose reagieren, gewähren sie einen Einblick in ihr momentan trauriges Seelenleben. In fast schon rätselhafter Weise wird die einst stolze Volkspartei in Umfragen mit Werten bestraft, die sie mit dem Blick auf ihre Regierungsbilanz nicht verdient.
Franz Müntefering hat auf die Frage, ob er Hilfe aus dem Himmel erwarte, geantwortet: "Wenn der liebe Gott so ist, wie ich ihn mir vorstelle, ist er auf unserer Seite." Ähnlich hat die SPD aber auch über Obama gedacht.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung