WAZ: Die Causa Sarrazin - Wulffs Fehlstart
Archivmeldung vom 16.09.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSeit zweieinhalb Monaten ist Christian Wulff als Bundespräsident im Amt. Er hat Konzerte und Ausstellungen eröffnet, die Präsidenten von Malawi und Polen empfangen und ist beim Tag des offenen Denkmals durch die Lüneburger Altstadt geschlendert. Alles lief glatt, es gab viel Beifall. Als Wulff aber seine erste politische Marke setzen wollte, ging das prompt daneben.
Wulffs Umgang mit der leidigen Causa Sarrazin gerät inzwischen zur peinlichen Posse. Zuerst empfahl Wulff der Bundesbank, das wegen seiner kruden Integrations-Thesen umstrittene Vorstandsmitglied fallenzulassen - obwohl der Präsident selbst Sarrazin formal entlassen muss. Das brachte Wulff nicht zu Unrecht den Vorwurf der Befangenheit ein. Nun geraten Wulff und seine Behörde in der Frage, wer mit wem den Auflösungsvertrag mit Sarrazin aushandelte, erneut in arge Erklärungsnot.
Wulff hat seine Rolle im höchsten Staatsamt offenbar noch nicht gefunden. Das ist weniger als hundert Tage nach seiner Wahl keine Schande. Doch statt sich zurückzuhalten, ist Wulff ungestüm vorgeprescht in einer Angelegenheit, die Umsicht und Fingerspitzengefühl erfordert hätte. Ohne Not hat er einen veritablen Fehlstart hingelegt. Aber da ist er ja nicht der einzige in der Hauptstadt.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung