Börsen-Zeitung: Signalwörter streichen
Archivmeldung vom 08.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTreu haben die Signalwörter uns gedient im immer noch laufenden Straffungszyklus der Europäischen Zentralbank (EZB). Aber nun wird es Zeit, sich von ihnen zu verabschieden.
Mit einem Vorlauf von jeweils vier Wochen hatte Notenbank-Präsident
Jean-Claude Trichet im Anschluss an die monatlichen Zinsbeschlüsse
des EZB-Rates mit der Formulierung, das Gremium lasse "starke
Wachsamkeit" walten, die nächsten Zinserhöhungen angekündigt -
freilich ohne das damit verbundene Commitment ausdrücklich zu
bestätigen. Dies war bei fast jedem der acht zurückliegenden
Zinsschritte seit Dezember 2005 der Fall. Lediglich der erste, der
den Auftakt der Erhöhungsserie einleitete, wurde nicht so
vorbereitet.
In diesem Prozess der Normalisierung des Zinsniveaus waren diese
Schlüsselwörter sinnvoll. Als die Konjunktur Ende 2005 sich zu
berappeln schien, war es geboten, die monetäre Unterstützung langsam,
aber sicher zurückzunehmen. Man erinnere sich: Damals lag der
Schlüsselzins für den Euroraum bei historisch niedrigen 2%.
Die Information, dass in jeweils einem Monat an der Zinsschraube
gedreht werde, gab den Finanzmärkten damals Führung. Auch in der
Phase, als die EZB mit der Formulierung "sehr genau beobachten" sogar
zwei Monate im Voraus ihr Vorhaben signalisierte, wurden die
Erwartungen stabilisiert.
Der Prozess der Normalisierung ist nun allerdings abgeschlossen.
Nachdem die EZB am Mittwoch den Schlüsselzins um 25 Basispunkte auf
4% angehoben hat, ist das neutrale Niveau erreicht, und die Zinsen
sind weder "niedrig" noch "moderat", wie es die EZB zuvor
auszudrücken pflegte.
Das heißt aber nicht zwingend, dass das Ende der Zinserhöhungen
erreicht ist. Das robuste Wachstum der Eurozone kann weitere Schritte
erforderlich machen. Dies ist aber noch nicht klar, und die Frage
lautet zunächst, "ob" weiter an der Zinsschraube gedreht werden muss,
und noch nicht, "wann". Hierfür bedarf es einer gründlichen
ökonomischen Analyse. Die bietet die EZB auch in ihren Kommuniqués.
Aber die Eindeutigkeit der Schlüsselwörter versperrt mitunter den
Blick auf die nicht ganz so schlichten Argumente, die den EZB-Rat zu
seinen Entscheidungen bewegen. Das Ende des Straffungszyklus sollte
daher ohne die Signalwörter, aber mit überzeugenden Argumenten
vorbereitet werden.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung