LVZ: Leipziger Volkszeitung zu VW
Archivmeldung vom 08.03.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVW-Affäre und kein Ende: Kaum sind die Meldungen um Lustreisen, Schmiergelder und Sexpartys aus den Schlagzeilen verschwunden, sorgt Europas größter Autobauer für neuen Zündstoff. In der Führungsetage scheint der Machtkampf jetzt voll entbrannt zu sein. Die Zukunft von Unternehmenslenker Bernd Pischetsrieder gilt als unsicher.
Angeblich laufen sich Audi-Markenvorstand Martin
Winterkorn, VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhard und sogar
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking bereits für den Posten warm.
Ausgerechnet der mächtige Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, der
Pischetsrieder einst als Nachfolger inthronisiert hatte, demontiert
den ehemaligen BMW-Mann via Zeitungsinterview in aller
Öffentlichkeit. Zwar hat sich der Porsche-Enkel öffentlich immer
wieder für eine Vertragsverlängerung von Pischetsrieder
ausgesprochen, gleichzeitig aber auch den Machtkampf weiter
angeheizt. Über die Motive von Piëch-Allmächtig kann man nur
mutmaßen. Der Enkel des "Käfer"-Erfinders verweist auf eine starke
Opposition von Gewerkschaft und von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat
gegen den amtierenden Vorstand und dessen Sparprogramm. Dass er
Pischetsrieder für unfähig hält, sagt er offiziell nicht.
Fakt ist: Pischetsrieder ist nicht der Tragödie erster Teil. Warum
Volkswagen bislang sein Volumenmodell Golf V zu teuer produziert,
sich mit Abenteuern im Luxuswagen-Bereich namens Phaeton und Bugatti
vom einstigen Kerngeschäft weit entfernt hat, sind Fehler seines
Vorgängers.
Das von Pischetsrieder verordnete Aus für Piëchs Lieblingsprojekt
Phaeton in den USA hat den Streit offenbar eskalieren lassen.
Differenzen bei der Wahl des neuen Arbeitsdirektors und
Hartz-Nachfolgers Horst Neumann, den Piëch im Aufsichtsrat gegen den
Willen Pischetsrieders durchgeboxt hatte, waren ebenfalls nicht
dienlich.
Tragisch für den 58-jährigen Münchner ist, dass er noch nicht einmal
alle von seinem Vorgänger geerbten Probleme beseitigen konnte. Denn
nur durch seine harten Sparmaßnahmen hat die Kernmarke VW im
vergangenen Jahr überhaupt noch Geld verdient. Ohne die 3,5
Milliarden Euro des "ForMotion"-Programms wäre VW sogar in die
operative Verlustzone geraten. Allerdings stellt der Noch-VW-Chef,
der seinerzeit schon bei BMW wegen des Rover-Desasters vorzeitig
seinen Platz räumen musste, bei seinen Umbauplänen für den Konzern
auch gut 20 000 Arbeitsplätze auf dem Prüfstand.
Wie VW das Personal-Monopoly meistern wird, sollte schon aufgrund der
Größe des Unternehmens auch allgemein von Interesse sein. Persönliche
Animositäten sind dafür aber alles andere als förderlich.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung