Rheinische Post: Justizschelte
Archivmeldung vom 01.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Gedanke, dass ein wegen dringenden Verdachts des sechsfachen Mordes und der gefährlichen Brandstiftung in Untersuchungshaft sitzender Beschuldigter bald auf freien Fuß kommt, ist bedrückend. Die Vorstellung, dass jemand in Untersuchungshaft bleibt, ohne dass die Justiz nach acht Prozess-Jahren ein rechtskräftiges Urteil zustande gebracht hat, ist nicht minder unangenehm.
Nicht zum ersten Mal stuft ein Gericht (im vorliegenden Fall ist es
das höchste) das Freiheits-Grundrecht (Artikel 2 der Verfassung)
eines U-Häftlings höher ein als das Sicherheitsinteresse der
Allgemeinheit vor einem mutmaßlichen Schwerverbrecher. Das
Bundesverfassungsgericht, dessen prägende Rolle als Hüterin unserer
Freiheitsrechte unbestritten ist, hat den Finger in eine Wunde
gelegt, die am Justizkörper immer wieder aufbricht: Wenn Gerichte und
Staatsanwaltschaften Fehler machen und mit ihrer Arbeit über Jahre
hinweg nicht fertig werden, wird Rechtsstaatlichkeit zur
Rechtsverweigerung. Dass Karlsruhes harte Justizschelte im Resultat
einem Mann zu Gute kommt, der zwar nicht rechtskräftig verurteilt,
aber dringend mordverdächtig ist, ist die schwer zu akzeptierende,
aber rechtsstaatliche Folge im freiheitlichen Staat.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post