Westdeutsche Zeitung: Die Bahn will künftig weniger englische Begriffe nutzen
Archivmeldung vom 18.02.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHaben Sie sich auch schon immer gefragt, warum man in einem deutschen Bahnhof am "counter" einen "flyer" erhält, statt am Schalter eine Informationsbroschüre? Und warum man eine "Hotline" anwählen soll, statt eine Service-Rufnummer?
Bahnchef Rüdiger Grube hat sich solche Fragen offensichtlich gestellt - und sie jetzt entsprechend beantwortet: Die Bahn will künftig ihren Kunden wieder in "klarer Sprache verständlich machen, was wir ihnen sagen möchten", ließ er einen Konzernsprecher verkünden. Der Konzern bemühe sich schon länger darum, wo es gehe auf deutsche Begriffe zu setzen. Mit diesem Vorhaben ist die Bahn allerdings kein Vorreiter, sondern fast schon ein Nachzügler. Denn viele Wirtschaftsunternehmen haben längst erkannt, dass mit deutsch-englischen Mischbegriffen und Anglizismen weder Staat noch Geld zu machen ist. Nach einem Boom - Verzeihung: einer Hochphase - von englischsprachigen Leitsätzen ("Slogans") noch zu Beginn dieses Jahrzehnts hat sich inzwischen mehrheitlich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der überwiegende Teil der deutschen Kunden denglische Sprachpanschereien ablehnt oder gar nicht erst versteht. Mit der Folge, dass dann auch der Umsatz ausbleibt. Der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch an jene große Parfümerie-Kette, die mit dem Spruch "Come in and find out" warb. Das Problem: Mehr als zwei Drittel der Kunden übersetzten das statt korrekt mit "Komm' herein und schau' dich um" falsch (und negativ) mit "Komm' herein und schau', wie du wieder hinauskommst". Inzwischen setzt das Unternehmen auf den deutschen Spruch "Macht das Leben schöner." Auch der Essener Energie-Großkonzern RWE hatte 2002 geglaubt, sich mit dem englischsprachigen Unternehmensmotto "One Group. Multi Utilities" einen besonders internationalen Anstrich geben zu können. Doch statt mit "Eine Gruppe, viele Versorgungsarten", übersetzten nicht wenige deutsche Kunden das völlig verwirrt mit "Ohne Gruppe, viel Multi-Kulti." Seit 2008 unterstreicht RWE seine Unternehmensaktivitäten sprachlich geschickt mit dem deutschen Leitspruch "Vorweg gehen". Das ist nicht nur im Sinne der deutschen Sprache ein Schritt in die richtige Richtung.
Quelle: Westdeutsche Zeitung