Mittelbayerische Zeitung: In der Falle
Archivmeldung vom 16.12.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAllen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz: Es dürfte gestern Unruhe aufgekommen sein in den Chefetagen der Autohersteller, nach der Botschaft über die neuesten Gängeleien aus Peking. Ob man in München, Stuttgart und Ingolstadt früher informiert war, sei dahingestellt - eine Strafsteuer zu verkünden und binnen 24 Stunden auch zu vollziehen ist ein starkes Stück.
Dass die Führung im Reich der Mitte nicht zimperlich ist, dazu braucht es keine Berichte von Menschenrechtsaktivisten mehr - ein Blick in den Wirtschaftsteil genügt. Um ihr Ziel des Wirtschafts-Weltmeisters zu erreichen, ist die Staatsmacht unerbittlich: Wer in den größten Binnenmarkt der Welt will - und das wollen alle - der hat gefälligst auch das zu importieren, was darin hergestellt wird. Wem das nicht passt, der bekommt eins auf den Deckel - fein dosiert, je nach Grad der Widerspenstigkeit. Marktwirtschaftliche Standards werden durch das physikalische Gesetz des längeren Hebels ersetzt. Dem hat sich auch die deutsche Autoindustrie zu unterwerfen, im jüngsten Fall, ohne dafür etwas zu können. Unfreiwillig heißt jedoch nicht unschuldig. Kritiker warnen seit Jahren, dass die fantastische Marktperspektive in China eine Falle ist. Einmal hineingetappt, sind die Exporteure der Staatsmacht fast völlig ausgeliefert: Mit ihnen kann man politischen Druck auf die Regierungen ausüben, oder sie als Ventil benutzen, wenn von irgendwoher der Druck in Menschenrechtsfragen mal wieder steigt. Die neueste Repressalie bedeutet nicht, dass die Falle zugeschnappt ist. Aber sie hat ihre Zähne gezeigt, eine Schwachstelle getroffen. Dass in München, Stuttgart und Ingolstadt nicht laut aufgejault wurde, zeigt, dass man dort verstanden hat, woher der Wind weht. Hoffentlich ist man dagegen auch gewappnet.
Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)