Leipziger Volkszeitung zur Korruptionsaffäre
Archivmeldung vom 05.07.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAkten, Fakten, Nebel Können Akten lügen? Wenn sie vom sächsischen Verfassungsschutz stammen, offensichtlich ja. Aber trifft das auf alle 15000 gesammelten Seiten über den angeblichen oder tatsächlichen Korruptionssumpf im Freistaat zu? Man weiß es nicht. Noch nicht. Vielleicht nie.
Die Nerven liegen
blank in Sachsen. Wer der Aufklärung eine Chance geben will ohne sie
parteipolitisch hinterhältig auszuschlachten, muss Staatsanwaltschaft
und gegebenenfalls Gerichten Zeit und Luft lassen, das zu bewerten,
was längst in wahr und unwahr hätte sortiert werden müssen. Die
Behandlung der Akten war, milde gesagt, unglücklich. Aber jetzt muss
vor Vorverurteilungen, Verdächtigungen aufgrund von Verdächtigungen
und wilden Spekulationen gewarnt werden. Dies ist im Interesse des
Freistaates, dessen Ruf bislang weit über Deutschland hinaus
hervorragend ist. Und im Interesse Leipzigs, das im Mittelpunkt der
für viele nicht mehr durchschaubaren Filz-Akten steht, die zum Teil
zu wertlosem Staub zerfallen sind.
Wird also aus einer undurchsichtigen Korruptionsaffäre ein handfester
Verfassungsschutzskandal? Wahrscheinlich ja. Aber auch diesbezüglich
ist vor allzu schnellen Urteilen zu warnen. Selbst wo juristisch
nichts nachgewiesen werden kann, muss nicht alles sauber gewesen
sein. Und in der Politik gelten nicht nur Recht und Gesetz, sondern
auch Moral und Verantwortung, Ohne rechtsstaatlich haltbare Beweise
jedoch darf niemand an den Pranger gestellt werden. Abwarten ohne
Panikmache ist erste Politikerpflicht, solange Akten und Fakten im
Nebel liegen. Neuigkeiten allerdings dürfen der Öffentlichkeit nicht
vorenthalten werden. Dies gilt für aufklärende Behörden genauso wie
für Medien. Anders als von der Justiz darf von einem
Untersuchungsausschuss nicht wirklich Aufklärung erwartet werden.
Schon das Vorgeplänkel lässt eine politische Schlammschlacht
erwarten. Dafür sind das peinlich rumpelnde Krisenmanagement von CDU
und Innenminister Buttolo genauso verantwortlich wie die ungenügende
Koalitionstreue der SPD mit Zügen von Doppelzüngigkeit sowie
absichtsvolle Vorverurteilungen der Opposition. Manches Rumhubern im
Morast lässt tief blicken: Während die SPD ihre Koalitionsunfähigkeit
demonstriert, müssen FDP und Grüne aufpassen, sich nicht zum willigen
Erfüllungsgehilfen der Linken degradieren zu lassen, die mit Inbrunst
das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat erschüttern. Und in
der CDU schlagen sich viele hinter die Büsche - oder bleiben gleich
dort -, anstatt bedrängten Ministern und dem spät zurückfeuernden
Ministerpräsidenten Entlastung zu schaffen.
Der Untersuchungsausschuss ist in der Sache berechtigt - und das gute
und wichtige Privileg des Parlaments. Dass er dabei "Klamauk"
befürchtet, hätte Sachsens Ministerpräsident besser nicht laut
ausgesprochen, auch wenn er damit nicht gerade meilenweit daneben
liegt. Mit seinem Widerstand gegen den Ausschuss in der von der
Opposition eingebrachten Form liegt Georg Milbradt jedoch richtig: In
der Formulierung des Untersuchungsauftrages darf das Ergebnis nicht
schon vorweg formuliert sein. Die Staatsregierung hat ein Recht auf
vorurteilsfreie Aufklärung - genauso wie die Personen, die namentlich
als Sumpfblüten in den umstrittenen Akten genannt werden.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung