NRZ: Merkels krumme Linie
Archivmeldung vom 26.01.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAngela Merkel hat eine Linie. Seit dem Ausbruch der Euro-Krise pocht sie darauf, dass Europa aufhört, über seine Verhältnisse zu leben. Sie hat ein Druckmittel: Deutsches Geld gegen Reformen. Es ist klar, dass sich die Kanzlerin taub stellt, wenn andere fordern, den ESM-Fonds aufzustocken. Das schließt nicht aus, dass dieselbe Merkel, die heute Härte zeigt, morgen neues Geld zuschießt. Es ist für sie eine Frage der Reihenfolge.
Wenn die Euro-Staaten einen Fiskalpakt in Kraft setzen und sich zur Sparpolitik verpflichten, ist Merkel eher bereit, ESM aufzustocken. Nicht vorher. Merkels Linie ist kein gerader Strich. Es ist, sagen wir mal: eine Zickzack-Bewegung. In der Union schließt man nichts aus. Den Wähler scheint das nicht zu stören. Er beurteilt Merkel nach der Haltung und weniger nach der Handlung. Die "eiserne Kanzlerin" - das ist zugleich die Erzählung für 2013, für das Wahljahr. Die Union hat einen Trumpf: Das ist Merkel. Und die hat eine Empfehlung. Es ist ihr Krisenmanagement. Dazu kommt das unverschämte Glück, dass die SPD pro-europäisch ist. Die SPD könnte davor warnen, die Deutschen zu überfordern: Der Rettungssanitäter kann ja krank werden. Aber Merkel hat sich auch das Argument gerade zu eigen gemacht. Das bisschen Opposition besorgt sie selbst.
Quelle: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung (ots)