Westdeutsche Zeitung: Zwischen Selbstschutz und Gier nach Öl
Archivmeldung vom 22.10.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.10.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Gefahr, dass türkische Soldaten auch offiziell in das kurdische Gebiet des Nordirak einmarschieren, wächst stündlich. Das Wochenende war geprägt von solchen Drohungen aus Ankara, von getöteten Kurden, aber auch von angeblich entführten türkischen Soldaten.
Die als terroristisch eingestufte kurdische
Arbeiterpartei PKK benutzt dabei für ihre Aktionen irakisches Gebiet
als Planungsbasis und Rückzugsraum. So etwas kann die Türkei
langfristig nicht hinnehmen. Auch kein anderes Land der Erde ließe es
sich gefallen, ständig über die Grenze hinweg angegriffen zu werden.
Verständnis für die Türkei ist also durchaus angebracht.
Allerdings nur bedingt. Abgesehen davon, dass die Kurdenpolitik
Ankaras in der Vergangenheit alles andere als moralisch einwandfrei
war: Die Türkei muss sich der Verantwortung bewusst sein, dass sie
mit einem Marschbefehl einen Konflikt entfachen würde, der auch die
letzte friedliche Region des Irak zum Kampfgebiet machen und
weltweite ausstrahlen würde. Denn: Vorrangig sind die im Irak
Verantwortlichen dafür zuständig, dass PKK-Kämpfer nicht mehr den
Nachbarn terrorisieren. Das sind neben der kurdischen Verwaltungen
und der irakischen Regierung eben auch die USA als Besatzungsmacht.
Der offene Konflikt zwischen Amerika und der Türkei wäre also da -
und für beide Seiten fatal. Die US-Armee ist schließlich auf ihre
Militärstützpunkte beim bisherigen Partner und auf das freie
Überflugsrecht dort angewiesen. Gehen diese Privilegien verloren, hat
sie für ihre Irak- und Afghanistan-Einsätze ein riesiges Problem. Die
Türkei hingegen kann sich eigentlich nicht derart offensichtlich
gegen die Interessen der westlichen Welt stellen. Wenn sie - was zu
hoffen ist - zurückhaltend bleibt, könnte sie zeigen, dass sie
verantwortungsbewusst zu handeln vermag. Was auch einer weiteren
EU-Reifeprüfung gleich käme.
Eine Militärpräsenz im Nordirak könnte zudem in der Türkei gefährliche Begehrlichkeiten wiedererwecken. Denn mit dem Argument, dass dort auch Turkmenen leben und die Grenzziehung sowieso nie amtlich festgeschrieben wurde, könnten territoriale Ansprüche neue Nahrung erhalten. Das wahre Motiv jedoch wären die dortigen Ölquellen. Das klingt nach Flächenbrand.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung