Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Volkswagen und den angekündigten 8500 neuen Arbeitsplätzen
Archivmeldung vom 17.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas ist doch mal eine erfreuliche Nachricht. Volkswagen will in diesem Jahr 8500 neue Stellen schaffen, die Hälfte davon in Deutschland. Nicht nur angesichts der Entlassungswellen bei BMW, Opel und Karmann sowie den Nicht-Auto-Unternehmen Henkel und Siemens sorgen die Wolfsburger mit dieser Ankündigung für einen Paukenschlag. Die Ouvertüre dafür war indessen vor gar nicht langer Zeit von ziemlichen Misstönen begleitet.
Restrukturierungsprogramm hieß das Musikstück, das weder bei Beschäftigten noch bei Betriebsrat und IG Metall auf Begeisterung stieß. Schließlich sollten 20 000 Arbeitsplätze bei Volkswagen gestrichen werden. 16 000 sind es letztlich geworden. Und zur Ehrenrettung des Konzerns muss gesagt werden, dass Entlassungen damit so gut wie nicht verbunden waren. Ausscheidende Mitarbeiter wurde nicht ersetzt, Vorruhestands-Regelungen und Abfindungsangebote angenommen. Gerade letzteres aber sorgte dafür, dass kluge Köpfe mit besten Qualifikationen dem Unternehmen den Rücken kehrten und - mit ansehnlich aufgestocktem Bankkonto - bei der Konkurrenz anheuerten. Die Auswirkungen machen sich jetzt bemerkbar. Es fehlt an Entwicklern und Strategen. Und das bei einem Programm mit einer Vielzahl von neuen Modellen, die entweder schon auf dem Markt sind oder in naher Zukunft kommen sollen. Ein Volumenhersteller wie VW kann und darf es sich nun einmal nicht erlauben, seinen Kunden - wie jetzt beim Tiguan - Lieferzeiten von bis zu fast einem Jahr zuzumuten. Beim neuen Sportcoupé Scirocco könnte es ähnlich laufen, denn die Verkaufszahlen des Konzerns sind weltweit glänzend. Das gilt auch für den Golf, obwohl der Bestseller schon in Kürze frisch überarbeitet auf den Markt kommt. Auch aus diesem Grund ist es zwingend notwendig, den Personalbestand bei Volkswagen wieder aufzustocken. Interessant ist das Thema Neueinstellungen auch im Hinblick auf die Auseinandersetzungen zwischen dem VW-Großaktionär Porsche und der IG Metall, dem Wolfsburger Betriebsrat sowie dem Land Niedersachsen. Schafft es Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, die neuen Arbeitsplätze als Erfolg des Porsche-Einstiegs zu verkaufen, dürfte er unangefochten als Dirigent den Taktstock schwingen. Auf der anderen Seite werden IG Metall und Wolfsburger Betriebsrat alles versuchen, den Stellenzuwachs als Verdienst von VW herauszustellen, um so die Position im Machtspiel um Mitsprache-Rechte zu verbessern. Spätestens auf der VW-Hauptversammlung am 24. April wird sich zeigen, wer die Argumentations-Klaviatur am besten beherrscht. Wiedeking will dort mit einer Änderung der VW-Satzung Porsche zur dominanten Macht bei Volkswagen ausbauen. Abzuwarten bleibt allerdings, wie Ferdinand Piëch auf die Porsche-Töne reagiert. Bekanntlich gibt der Aufsichtsratsvorsitzende den Taktstock nur äußerst ungern aus der Hand.
Quelle: Westfalen-Blatt