Börsen-Zeitung: Zauderkünstler
Archivmeldung vom 01.02.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn Kommentatoren nichts mehr einfällt, wofür sie Politiker kritisieren können, dann halten sie ihnen oft Zögerlichkeit oder Verzagtheit vor: Warum nicht früher, konsequenter, beherzter, entschlossener?
In der Debatte über die Staatsschuldenkrise, die sich länger schon hinschleppt als andere Krisen, taucht der Vorwurf der Halbherzigkeit und Unentschlossenheit gegenüber Europas Regierungspolitikern besonders häufig auf. Die Gescholtenen wiederum wehren sich und verweisen auf die Rekordzeiten, in denen sie Pakete geschnürt und Pakte geschlossen haben.
Und wer hat nun Recht? Beide Seiten. Die pauschale Anklage an die Politik, sie bewege sich nicht flink genug, ist wenig überzeugend. Das oft bemühte Bild von den Trippelschritten passt beispielsweise nicht zu dem Tempo, mit dem sich fast alle Staaten Europas in Richtung mehr haushaltspolitische Disziplin bewegen. Man mag die rechtliche Bindungskraft des ohne Briten und Tschechen beschlossenen Fiskalpakts in Zweifel ziehen - und man kann durchaus skeptisch sein, was die angestrebte Überführung des Pakts in EU-Vertragsrecht angeht. Aber es gibt wenig Grund, den Regierungen Trägheit oder gar mangelnde Einsicht in die Notwendigkeiten zu unterstellen.
So weit zu ihrer Verteidigung. Ganz abwegig ist der Vorwurf des Zauderns nach dem jüngsten Euro-Gipfel jedoch nicht. Denn für die Vertagung des Griechenland-II-Pakets fehlen überzeugende Gründe - zumindest wenn es wirklich so ist, wie es die Regierungschefs beteuern, nämlich dass hohes Interesse an einer geordneten Lösung für Hellas besteht. Auf die privaten Gläubiger muss dazu niemand mehr warten. Ihr Beitrag ist abrufbar - und dieser wird auch in weiteren Verhandlungen nicht mehr viel größer. Die zweite Variable ist ebenfalls relativ klar: Griechenland soll realistische Chancen haben, die Schuldenquote bis 2020 auf 120% zu drücken. Nicht nur, weil das für die Tragfähigkeit der Finanzen wichtig ist. Sondern auch, weil der IWF sonst aussteigt und damit die Architektur der Euro-Rettung zusammenbricht. Bleiben zwei andere Stellschrauben. Erstens ein möglicher Aufschlag beim zweiten Hilfsprogramm um zehn oder 15 oder 20 Mrd. Euro. Zweitens eine konkrete Zusage der Griechen, wie sie ihr Reformprogramm zurück auf Spur bringen wollen.
Beides wäre beim Gipfel möglich gewesen. Es ist nun unklar, worauf die EU wartet. Lange zu zaudern, ist gefährlich. Verzagen und versagen liegen spätestens Mitte Februar nah beieinander.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots)