Neue Westfälische: Der ausgespähte Bürger
Archivmeldung vom 22.04.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn sich die Große Koalition bei der Bilanz ihrer Regierungszeit daran messen lassen müsste, was sie in Sachen Datenschutz an den Start gebracht hat, fiele das Ergebnis so ernüchternd aus wie auf allen anderen Baustellen, die zurzeit stillliegen: negativ. Skandale à la Telekom, Deutsche Bahn, Lidl oder jüngst auch Drogerie Müller machen die Berliner Lustlosigkeit umso bemerkenswerter.
Es ist zu befürchten, dass wir uns in Deutschland noch häufiger über Datenschmutz ärgern müssen. Ist der Druck von unten nicht groß genug oder ist die Macht der Lobbyisten, die den Politikern laut Datenschützer Schaar kräftig zusetzen, tatsächlich stärker als der politische Wille zum Schutz eines Grundrechts? Ein schärferes Gesetz wäre anscheinend nicht nur für die Telekoms und Lidls ein Problem, sondern auch für viele andere Unternehmen, die es mit der Privatsphäre ihrer Angestellten nicht so genau nehmen. Oder schlimmer noch: die ganz einfach drauf pfeifen. Mit einem Gesetz aus den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts kann man gegen Firmenbosse, die die totale Kontrolle über ihre Beschäftigten haben wollen, wenig ausrichten. Ihr Umkehrschluss: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Illegale Kontenprüfungen, Krankenakten, Videoüberwachung und Abhöraktionen sind eine Folge, Unsicherheit und Misstrauen der Beschäftigten eine andere. Doch so lange die Gesetzeslücke nicht geschlossen ist, bleibt den Betroffenen nur die moralische Empörung. Und der Staat? Der geht selbst mit schlechtem Beispiel voran. Innenminister Schäuble macht keinen Hehl daraus, dass für ihn Sicherheitsinteressen Vorrang vor der Privatsphäre haben. Online-Durchsuchung, Speicherung von Telefon- und Internetverbindungen und reger Informationsaustausch zwischen den Behörden machen schon jetzt jeden zum gläsernen Bürger. Eine Entwicklung, die kaum zurückzuholen ist.
Quelle: Neue Westfälische