Rheinische Post: Erste Machtprobe für Merkel
Archivmeldung vom 21.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWie viel Unterstützung bekommt diese Kanzlerin? 70, 80 oder 99,4 Prozent? Angela Merkel wird es wissen, wenn die 448 Bundestagsabgeordneten ihrer großen Koalition morgen in geheimer Wahl ihr Kreuzchen gemacht haben. Die Abstimmung, eigentlich eine Formsache, ist die erste Machtprobe für die erste Frau im Kanzleramt.
Für viele Sozialdemokraten ist die Verlockung groß, Merkel zu Beginn
ihrer Amtszeit einen Dämpfer zu versetzen. Eine Kanzlerin, die eine
stattliche Zahl von Abweichlern gegen sich weiß, wird nicht
selbstbewusst, sondern geschwächt auf Reformkurs gehen. Und manch
Linker liebäugelt mit der Chance, deutlich zu machen, dass er das
Bündnis mit der Union allenfalls duldet, aber nicht wünscht. Es gibt
in der SPD mehr als einen, der wie Berlins Regierender Bürgermeister
Klaus Wowereit lieber eine Volksbeglückungs-Gemeinschaft mit PDS und
Grünen gebildet hätte, als mit der CDU/CSU zu paktieren.
Die Appelle des neuen SPD-Chefs Matthias Platzeck an die eigenen
Genossen künden davon, dass er die Gefahr ahnt. Wer von den
Koalitionären nicht für Merkel stimmt, der spricht sich nicht nur
gegen die Chefin aus. Jede Nein-Stimme stellt die große Koalition und
ihre ohnehin nicht weitgreifenden Pläne zur Erneuerung des Landes in
Frage. Deshalb darf es nicht mehr als ein, zwei Hand voll aus Reihen
der Koalition geben. Sonst steuert das Bündnis schnurstracks in die
erste handfeste Krise.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post