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Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zu Doping im Radsport

Archivmeldung vom 08.10.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.10.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Aus dem Sattel werfen können die Neuigkeiten nur hartgesottene Radsportfans. Seit im Sommer bei der Tour de France bekannt wurde, dass der Blutauffrischer Cera überraschenderweise nachgewiesen werden könne, war es nur eine Frage der Zeit, wann zu den bekannten Dopingfällen weitere hinzukommen würden.

Dass es nun mit Stefan Schumacher einen deutschen Fahrer getroffen hat, ist aus nationaler Sicht zwar bedauerlich, aber nicht überraschend. Schon seine erstaunliche Siegesserie während des einjährigen Gastspiels im Trikot des ostwestfälischen Teams Lamonta hatte nicht nur Bewunderung hervorgerufen. Später begab sich der Arztsohn öfter auf Abwege, konnte aber einen Ausschluss stets verhindern. Vor einem Jahr rauschte er wie einst Jan Ullrich unter Alkoholeinfluss über die Straßen. Nach einem Unfall wurden in seinem Blut Spuren von Aufputschmitteln gefunden. Gesperrt wurde er nicht, doch Schumachers Erfolge im Sommer in Frankreich wurden umso kritischer beleuchtet. Als der Deutsche, der als erster Fahrer nach Lance Armstrong in einem Jahr beide Tour-Zeitfahren gewann, ins Gelbe Trikot schlüpfte, musste er mehr Fragen zu seiner Vergangenheit beantworten, als ihm lieb war. Er schwieg und stritt bislang Doping konsequent ab. Das wird ihm und dem gesamten Radsport nicht mehr helfen. Anti-Doping-Programme, Ehrenerklärungen, Blutpässe und viele gute Absichten: All das ist nicht das Papier wert, auf dem es gedruckt wurde. Statt auf eine Tour der Erneuerung zu gehen, wie im Sommer großspurig angekündigt wurde, ist eine ganze Sportart mit voller Fahrt in eine Sackgasse gefahren. Es wird weiter gelogen und betrogen. Schumacher war vielleicht ein Einzelgänger, ein Einzelfall war er nicht. Weitere Dopingfälle sind angekündigt. Die Epo-demie hält an, und eine eigentlich sehr schöne Sportart ist fast am Ende. »Das ist Selbstmord. Der Radsport spielt mit seiner Existenz«, sagt Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Jammern darf der Radsport nun wirklich nicht, wenn Fernsehsender abschalten, Sponsoren die Gelder zurückziehen und Rennen nicht mehr ausgetragen werden können. Die Selbstreinigung funktioniert nicht. Ein Neuanfang müsste vor allem glaubwürdig und - wahrscheinlich - mit neuem Personal geschehen. Bis dahin droht - zumindest in Deutschland - ein Einfrieren oder eine Kürzung staatlicher Fördergelder. Dafür gibt es gute Gründe. International könnte es sogar passieren, dass der Radsport aus dem Olymp gejagt wird und 2012 in London zuschauen muss, wenn um Medaillen gekämpft wird. Es sei es, der Radsport macht endlich ernst mit der Erneuerung. Übrigens: In Spanien ist das Verfahren gegen den Doping-Arzt Dr. Fuentes eingestellt worden. Mit Lance Armstrong, Floyd Landis und Alexander Winokurow kann die alte Radsport-Garde es kaum abwarten, nach - zum Teil erzwungenen Pausen - das Peloton wieder aufzumischen. Nach einem Neuanfang sieht das nicht aus.

Quelle: Westfalen-Blatt

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