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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur CSU

Archivmeldung vom 18.10.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Kalter Kaffee macht schön: Frei nach dieser Volksweisheit hat die CSU gestern ihr Steuersenkungsgebräu neu aufgerührt, das sie zuletzt im Januar auf ihrer Klausur in Wildbad Kreuth lautstark anpries. Wenn Parteichef Horst Seehofer die große Schwester CDU ärgern oder den Junior FDP piesacken will, greift er gerne zum Fläschchen mit dem Mehr-Netto-vom-Brutto-Zaubertrank. Und damit nicht genug. Diesmal hat er für das Treffen mit den Koalitionsspitzen auch noch das Betreuungsgeld und die Pkw-Maut in den Forderungskatalog gepackt. Das Gipfeltreffen am Freitag steht unter dem Motto: Wer viel wünscht, bekommt auch viel.

Angesichts der hohen Steuern und Abgaben, die Arbeitnehmer hierzulande zahlen, ist es zunächst nichts Verwerfliches, über Entlastungen nachzudenken. Viele Beschäftigte ärgern sich regelmäßig beim Blick auf ihren Gehaltszettel darüber, dass vom Brutto gerade mal die Hälfte übrigbleibt. Wer jeden zweiten Euro an den Fiskus und an die Sozialkassen überweist, wundert sich schon lange darüber, dass der Staat gleichzeitig die Vermögen der Millionäre schont. Doch wer wie Seehofer Steuersenkungen verspricht, muss auch sagen, wie er sie finanzieren will. Hier schweigt sich die CSU aus. Außerdem verkauft sie Entlastungen, die je nach Einkommen und Familienstand zwischen 70 und ein paar hundert Euro im Jahr lägen, als großen Wurf. Bei vielen Beschäftigten würde das aber gerade einmal den Zusatzbeitrag für die Krankenkasse ausgleichen. Falls Seehofer mit seinem Steuerreförmchen tatsächlich bei Kanzlerin Angela Merkel durchkommen sollte, würde es höchstwahrscheinlich auf Pump erkauft. Das wäre angesichts der Rekordverschuldung des Staates unseriös. Auch der zweite Punkt im Wünsch-Dir-Was-Spiel der CSU steht unter Finanzierungsvorbehalt. Weil der Bund knapp bei Kasse ist, will Familienministerin Kristina Schröder das Betreuungsgeld gegen Seehofers Widerstand nur ein Jahr auszahlen statt zwei. Bei einer monatlichen Prämie von 150 Euro für Familien, die ihre Kinder zuhause erziehen, kommt da immer noch viel Geld zusammen - dafür, dass die CSU ihr Familienbild aus den 50er Jahren konservieren kann. So schön das Betreuungsgeld für die Empfänger sein mag, sinnvoller wäre es in Kindergärten und mehr Angeboten für Ganztagsbetreuung angelegt. Seehofers dritter Wunsch, den er regelmäßig von Verkehrsminister Peter Ramsauer vortragen lässt, ist eine dreiste Mogelpackung. Wider besseres Wissen verkauft die CSU ihr Modell einer Pkw-Maut als gerechte Straßengebühr, weil angeblich nur Ausländer abkassiert würden, deutsche Autofahrer aber nichts bezahlen sollen. Genau dies würde jedoch gegen EU-Recht verstoßen. Ramsauers Maut-Mantra ist der Versuch der Volksverdummung und der Vorstoß, die Autobahngebühr für alle einzuführen. Wer glaubt, dass damit Schlaglöcher geflickt werden, glaubt auch, dass der Solidarzuschlag noch für den Aufbau Ost eingesetzt wird. Besonders ärgerlich ist es, dass genau derselbe Minister trotz Bedenken der meisten Verkehrsexperten auch noch die Riesen-Lastwagen auf alle Straßen bringen will. Damit gehen Autobahnen und Brücken dann noch schneller kaputt. Mögen andere Parteien gebannt auf die Schuldenkrise starren, über teure Rettungspakete sinnieren oder eine Reichensteuer fordern: Seehofer gibt im Kampf um Stimmen lieber den Volkstribun. Schon zwei Jahre bevor überhaupt gewählt wird, verspricht die CSU den Leuten das Blaue vom Himmel. Das werden zwei schwere Jahre für die CDU, die FDP - und die Bürger.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)

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