Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Wahl des CDU-Landesvorsitzenden
Archivmeldung vom 01.11.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.11.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNächster Schritt auf der Karriereleiter: Als CDU-Landesvorsitzender im Ministerrang steigt Norbert Röttgen quasi über Nacht zum ersten Stellvertreter von Bundeskanzlerin und Parteichefin Angela Merkel auf. Ein neuer Guttenberg also. Mit ihrem Votum haben die nordrhein-westfälischen Christdemokraten die Hierarchie der Partei, ja der Union kräftig durcheinander gewirbelt.
Angela Merkel dürfte kaum uneingeschränkt erfreut sein. Im Umfeld der Kanzlerin hatte man Röttgens Ehrgeiz zuletzt mit wachsendem Argwohn betrachtet. Nun sitzt ein zweiter Konkurrent mit am Kabinettstisch. Das Ergebnis ist überraschend klar ausgefallen, doch bis zuletzt konnte sich Röttgen seines Erfolges nicht sicher sein. Zwar galt der im Vergleich mit Armin Laschet bundespolitisch weitaus bekanntere und mit allen Herausforderungen der Mediendemokratie vertraute 45-Jährige lange als Favorit auf die Rüttgers-Nachfolge. Am Ende wäre ihm seine Popularität aber fast zum Verhängnis geworden. Insbesondere bei der Verlängerung der Atomlaufzeiten sah der Bundesumweltminister zuletzt schlecht aus. Dass 52,8 Prozent der CDU-Mitglieder abgestimmt haben, ist ein Erfolg für die Partei. Eine so hohe Mobilisierung war nur sechs Monate nach der krachenden Wahlniederlage im Mai nicht unbedingt zu erwarten. Der Patient NRW-CDU lebt noch. Ob und wie schnell er wieder voll geschäftsfähig wird, liegt nun an Röttgen. Ohne Zweifel ist dessen Wahl eine konsequente Entscheidung gegen die Epoche Rüttgers. Die Basis setzt - auch personell - auf einen echten Neuanfang. Laschet aber war als Integrationsminister von 2005 enger Mitstreiter des ehemaligen Ministerpräsidenten und Noch-Landesvorsitzenden. Vielleicht war das gar sein entscheidender Nachteil. Ansonsten nämlich hat er wenig falsch und vieles richtig gemacht. Dass sich Laschet konsequent als Landeslösung präsentierte, schien anzukommen. Am Ende aber blieb sein Credo ungehört, der CDU-Landeschef müsse sich voll und ganz auf die Oppositionsarbeit konzentrieren, um die rot-grüne Minderheitsregierung von Hannelore Kraft ablösen zu können. Nun stellt sich die Frage, wie es rund um den neuen Vorsitzenden personell weitergeht. Röttgen muss sich sein Team erst bauen. Grabenkämpfe sind nicht ausgeschlossen. Zu eindeutig hatte der Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann für Laschet Stellung bezogen. Und Andreas Krautscheids Zeit als Generalsekretär dürfte schon bald zu Ende sein. Als Nachfolger ist bereits der Ex-Verkehrsminister Oliver Wittke im Gespräch. Auch die Arbeitsorganisation im Alltag wirft angesichts Röttgens Doppelbelastung in Bundes- und Landespolitik Fragen auf. Für Neuwahlen ist der neue CDU-Landeschef sicher ein starker Spitzenkandidat. So lange Rot-Grün aber nicht stolpert, wird die Oppositionsarbeit unter einem Parteivorsitzenden mit Ministeramt nicht leichter.
Quelle: Westfalen-Blatt