Neues Deutschland: zum Problemstau der schwarz-gelben Koalition
Archivmeldung vom 05.06.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWer zu Prokrastination neigt, verschiebt unangenehme Aufgaben auf einen späteren Termin. Da diese Person auch den verstreichen lässt, nimmt der Druck so stark zu, dass sie gar nicht mehr handlungsfähig ist. Bei Schwarz-Gelb ballte sich am Freitag die Aufschieberei: Pauschaler Zusatzbeitrag zu den Krankenkassenbeiträgen? Entscheidung vertagt. Längere AKW-Laufzeiten?
Entscheidung vertagt. Milliardenschwere Bürgschaft für den Autobauer Opel? Entscheidung vertagt. Kürzung der Solarförderung? Entscheidung (auch wegen Widerstands unionsgeführter Länder im Bundesrat) vertagt. Seit der desaströsen NRW-Wahl versuchen sich die einzelnen Interessen und Lager innerhalb des schwarz-gelben Bündnisses noch stärker in Eigenprofilierung und Muskelspielen, was zu einer wechselseitigen Blockade selbst bei bislang klaren schwarz-gelben Projekten wie der AKW-Laufzeitverlängerung führt. Die CSU-Granden setzen mit Vorliebe am schwächsten Glied der Regierung an: FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler, dem nicht mal mehr Rücktrittsandrohungen helfen, um etwas durchzubringen. Am Wochenende bei der Sparklausur, da sind sich mal alle einig, soll der Knoten aber platzen - auch deshalb haben sich so viele Koalitionspolitiker in eine wahre Streicheuphorie hineingesteigert. Prokrastination ist im wirklichen Leben eine psychische Störung mit oft schlimmen Konsequenzen für den Betroffenen, die behandelt werden muss. Der Bundesregierung würde man aber angesichts der fatalen Richtung der immer noch geplanten Entscheidungen eine anhaltende Kollektiv-Prokrastination wünschen - bis zum nächsten Wahltermin.
Quelle: Neues Deutschland