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WAZ: Wolfgang Clement und die SPD

Archivmeldung vom 22.01.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Volksparteien, der Begriff deutet es an, müssen vieles aushalten: interne Spannungen, Abspaltungen und Gezänk. Oft kommt dabei nicht mehr als kleinliche Vereinsmeierei heraus. Aber es geht auch anders.

Denn während sich die Parteivorderen in ihrem Buhlen um eine breite Wählerschaft darum bemühen, den Spagat zwischen Populismus und Profilierung verletzungsfrei zu überstehen, wartet der interessierte Beobachter sehnsüchtig bis gierig darauf, dass die Vorsitzenden an eben dieser Aufgabe scheitern und sich daraus ein öffentlichkeitswirksames Spektakel ergibt. Um diesen Prozess in Gang zu setzen, bedarf es eines Initiators, der den ersten Stein wirft und bereit ist, danach ordentlich Prügel zu beziehen - im aktuellen Fall hat sich der Sozialdemokrat Wolfgang Clement geopfert.

Hier stehe ich, und ich kann nicht anders, ruft der Ex-Parteivize seinen Kritikern zu, die es absonderlich bis abscheulich finden, dass Clement eine Woche vor der Hessenwahl die Energiepolitik der SPD-Spitzenkandidaten Ypsilanti kritisiert. Mag sein, dass die Energiepolitik der SPD im Allgemeinen und die von Andrea Ypsilanti im Speziellen Schwachstellen aufweist. Aber Clements indirekte Wahlempfehlung für den Christdemokraten Roland Koch ist kein Ausreizen innerparteilicher Meinungsvielfalt - es ist nichts anderes als ein stilloser Affront gegenüber den eigenen Mitstreitern. Der heutige RWE-Aufsichtsrat Wolfgang Clement, der immer ein spannungsreiches Verhältnis zu seiner Partei gepflegt hat, hat sich damit endgültig von der politischen Bühne verabschiedet - dazu bedarf es keines formellen Ausschlussverfahrens mehr.

Clements Frontalangriff geht weit über das hinaus, was die große SPD aushalten muss. Flügelkämpfe gehören zum Inventar aller Volksparteien. Linke und konservative Kreise, Netzwerker und Parlamentarier-Clubs: Auch die SPD, die mit der Verabschiedung des Godesberger Programms im Jahr 1959 den Wandel von der marxistischen Arbeiter- zur Volkspartei vollzogen hat, ist durchsiebt von Gruppen und Grüppchen, die einander kritisch beäugen.

Gerhard Schröders Agenda 2010 bleibt auf absehbare Zeit die Sollbruchstelle in der SPD. Auf die damit einhergehende Reform des Sozialstaats und den Druck von der Linkspartei reagierte die Parteimehrheit auf dem Hamburger Parteitag mit einem Linksruck - was wiederum Wirtschaftsfundis wie Wolfgang Clement und andere provoziert. Auch Peer Steinbrücks Breitseite gegen die innerparteilichen "Heulsusen" ist in guter Erinnerung. Der Nach-Schröder-Zwist ist noch nicht ausgestanden.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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