WAZ: Der Tod eines Teenagers
Archivmeldung vom 20.11.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.11.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin 17-Jähriger hat sich das Leben genommen, und wir fragen uns warum. Noch sind nicht alle Hintergründe des Kölner Dramas geklärt. Die Pläne für einen Amoklauf wurden aber offenbar schon vor längerer Zeit aufgegeben. Von einer akuten Gefährdung kann wohl nicht die Rede sein.
Dürfen wir uns also beruhigt zurücklehnen? Wo doch vielleicht nur
zwei verstörte Teenager Gewaltfantasien austauschten, unterstützt von
einer kaputten Armbrust und zwei Erbsenpistolen?
Natürlich nicht. Zu viele Fragen bleiben offen. Und nichts ändert
sich an der Bestürzung über den Hass, die Verzweiflung, aus der
solche Pläne geboren werden.
Die Diskussion über die Beweggründe offenbart aber erst einmal
Ratlosigkeit. Und verhakt sich gern an belanglosen Klischees. Das
sollte noch einmal ganz deutlich gesagt werden: Nicht jeder, der
Schwarz trägt, ist ein potenzieller Killer. Nicht jedes Ballerspiel
züchtet gewissenlose Mordbuben heran. Und wie so oft in dieser
verwirrenden Welt, sind die Grenzen zwischen Gut und Böse, Täter und
Opfer keinesfalls eindeutig.
Wir wissen noch nicht allzu viel über die beiden Teenager. Unter
Mobbing hätten sie gelitten, heißt es jetzt. Schwelgten sie deshalb
in Gewaltfantasien, sannen auf Rache, kamen wieder zur Vernunft, und
am Ende stürzte sich dennoch einer von ihnen in den Tod?
Es gebietet sich nicht zu diesem Zeitpunkt, nach Sündenböcken zu
suchen, zu fragen, ob man den Selbstmord des Jungen hätte verhindern
können. Erlaubt sein sollte aber schon die Frage, ob die Kölner
Polizei sich wirklich in allen Punkten richtig verhielt, als sie erst
einen verwirrten Teenager ohne psychologische Betreuung nach Hause
schickte, dann auf einer hastig einberufenen Pressekonferenz ein
angeblich in letzter Sekunde verhindertes Massaker feierte, um dann
aber schon am nächsten Tag ziemlich kleinlaut Entwarnung zu geben.
Das alles ändert natürlich nichts an der ernsthaften Gefahr, die
von verzweifelten Jugendlichen ausgeht. Das alles ändert auch erst
mal nichts an der Gewalt auf Schulhöfen, Fußballplätzen, Bahnhöfen,
alles Alarmzeichen, mit denen wir uns ernsthaft auseinandersetzen
sollten.
Es ist nämlich nicht glimpflich ausgegangen, das Drama von Köln. Ein Todesopfer ist zu beklagen, ein verzweifelter Junge.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung