Neue Westfälische, Bielefeld: Westerwelles Attacke auf den Sozialstaat
Archivmeldung vom 15.02.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGuido Westerwelle hat recht. Es muss in Deutschland möglich sein, über Zuschnitt und Ausstattung des Sozialstaates zu diskutieren, ohne gleich als als rücksichtsloser Zyniker beschimpft zu werden. An seinem Satz "Wer arbeitet, muss mehr haben, als der, der nicht arbeitet" gibt es nichts zu kritisieren.
Welchen Anreiz hätte es sonst für viele Menschen, morgens um sechs Uhr aufzustehen, ihrer Arbeit nachzugehen und sich nach Feierabend um die Familie zu kümmern, einzukaufen, den Haushalt zu machen und abends totmüde ins Bett zu fallen? Wenn der Staat, der Sozialstaat leistungsfähig bleiben soll, darf er die fleißige Mittelschicht finanziell und psychologisch nicht überfordern. Wer nicht arbeiten will, muss auch weniger bekommen (es geht nicht um den, der nicht kann). Es ist also falsch, das Urteil des Verfassungsgerichtes zu Hartz IV dazu zu missbrauchen, die Sätze zu erhöhen. Guido Westerwelle macht allerdings einige entscheidende Fehler mit seiner Attacke: Er vergreift sich im Ton. Wer in diesem Zusammenhang von "spätrömischer Dekadenz" redet, zeigt, dass ihm die Menschen egal sind. Es ist arrogant und herzlos, Arbeitslose so zu verunglimpfen. Und Westerwelles Motivation für diese Ausfälle ist verlogen. Es geht ihm nicht darum, das Problem zu lösen. Es geht ihm um Aufmerksamkeit für sich und seine Partei. Die FDP ist binnen weniger Wochen in eine desolate Lage geraten. Die Zustimmung zu ihrer Politik hat sich durch eine Reihe von eigenen Fehlern halbiert, der Machtverlust in NRW im Mai ist nicht mehr ausgeschlossen. Panik treibt den FDP-Vorsitzenden um. Schon fordert sein Vize, Andreas Pinkwart aus NRW, Westerwelle möge Verantwortung teilen. So beginnt der Niedergang. Den wird er durch Angriffe auf Arbeitslose nicht aufhalten. Auch wenn eine grundsätzliche Sozialstaatsdebatte nötig ist.
Quelle: Neue Westfälische