Rheinische Post: Merkel entdeckt die Außenpolitik
Archivmeldung vom 24.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAngela Merkel hat Erfahrung im Umgang mit Auslaufmodellen, ob sie nun Schröder, Kohl oder Stoiber heißen. Das kam "Madame la Chancelière" bei ihrem Antrittsbesuch in Paris zugute. Den in seiner Heimat deutlich angezählten französischen Staatspräsidenten Chirac ließ sie charmant auflaufen, als der weiter von der deutsch-französischen Achse schwärmte.
Die hatte Chirac allzu
gern schulterklopfend mit Merkels Vorgänger Gerhard Schröder
beschworen. Merkel reichte Chirac zwar ihre Hand zum Kuss, aber
danach ließ sie sich nicht mehr einseifen. Das großspurige Wort von
der Achse, das in Europa für viel böses Blut gesorgt hatte, vermied
sie erst recht.
Ihre Vorstellung von Europa geht über Paris und den "lupenreinen
Demokraten" in Moskau hinaus. Die Kanzlerin ist gewillt, einen
eigenen außenpolitischen Kurs zu fahren, der Bewährtes fortführt,
aber auf die innenpolitisch motivierten Mätzchen ihres Vorgängers
verzichtet. Merkel weiß, unterstützt von ihrem außenpolitischen
Berater Heusgen - einem erfahrenen EU-Diplomaten -, dass man auch in
Rom, Warschau, London, vor allem aber in Washington auf
aufgeschlossenere Töne aus Berlin hofft.
Die Kanzlerin, in der Innenpolitik durch den Koalitionsvertrag arg
gefesselt, will zumindest der Außenpolitik ihren Stempel aufdrücken:
mehr Offenheit, mehr Klarheit. Das fängt gut an.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post