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WAZ: Seehofer und die (Doppel-) Moral

Archivmeldung vom 17.01.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.01.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Eigentlich ist die Sache klar: Politik ist Politik, privat ist privat. Basta. Horst Seehofer ist ein sehr beliebter Politiker, wesentlich beliebter jedenfalls als Edmund Stoiber, und so werden sehr viele Menschen mit Seehofer Mitleid haben und Stoiber für den Bösewicht erklären.

Denn schließlich: Was hat es mit Seehofers politischen Ansichten zu tun, mit wem er abends ins Bett steigt? Aber so einfach ist die Angelegenheit dann doch nicht.

Denn Seehofer hat, wie viele Spitzenpolitiker, die Grenze zwischen Politik und Privatsphäre absichtsvoll selbst verschoben. Seehofer hat Journalisten eingeladen zu sich nach Hause, hat Fotos und Filme machen lassen von sich, seiner Frau und seinen Kindern, kurzum: Seehofer hat alles dafür getan, um sein eigenes Image zu produzieren. Und genau das ist die Währung eines Spitzenpolitikers: das Bild, was die Bevölkerung von ihm hat. Ein Mann wie Seehofer wird weniger für das gewählt, was er tut (das ist in der Regel kaum zu durchschauen), sondern für das, was er verkörpert. Und Seehofer verkörpert(e?) den soliden Sozialkatholiken, den bodenständigen Menschen: eine ehrliche Haut eben.

Und nun stellt sich heraus, dass sein Privatleben in eklatantem Widerspruch steht zu seinen Aussagen über die Bedeutung seiner Familie für ihn und seine persönliche wie politische Stabilität. Sagen wir es unangenehm ungeschminkt: Seehofer hat uns eine Scheinwelt vorgespielt, um seine Wahlchancen zu erhöhen, um Minister bleiben oder Parteichef werden zu können. Deshalb wird er Schaden erleiden, möglicherweise sogar irreparabel beschädigt sein, je nachdem, ob noch weitere unangenehme Details ans Licht kommen oder einer der Beteiligten anfängt, in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche zu waschen. Einem Beckenbauer ("der liebe Gott freut sich über jedes Kind") verzeiht das Volk einen Seitensprung. Aber Beckenbauer wollte auch nicht Vorsitzender einer christkatholischen Partei im konservativen Bayern werden.

Selbstredend ist Stoibers Heuchelei so unerträglich wie die des anderen Spitzenpersonals in der CSU. Natürlich ist die Vorstellung empörend, er könnte damit auch noch durchkommen. Was wäre das für eine Partei, die ein solches entwürdigendes Verhalten auch noch prämieren würde? Deshalb: Schaden nehmen nun alle: Seehofer, Stoiber, die CSU, der Rest der Parteipolitik. Wobei man jenen Politikern misstrauen sollte, die jetzt moralingetränkt Privatsphäre für sich reklamieren. Das wird erst glaubhaft, wenn sie sich von ihrem eigenen Exhibitionismus verabschieden.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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