Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Zustand der CSU
Archivmeldung vom 04.04.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPolitisch Deftiges aus Bayern sind wir hier im Westen seit Franz Josef Strauß ja gewöhnt. Doch immer war die CSU auch eine politische Kraft, die nicht nur den Freistaat souverän beherrschte. Nur dank der starken Christsozialen konnte die CDU in Bonn und später in Berlin regieren.
Und der bayerische Einfluss bestimmte im Bund nicht selten die Richtung der Politik. Seit einiger Zeit ist dies anders. Edmund Stoiber kann zu Recht mit Stolz auf seine Regierungszeit zurückblicken, er hat Bayern neben Baden-Württemberg an die Spitze in Deutschland gebracht. Doch Stoiber hat es sich auch selbst zuzuschreiben, dass sein Sturz so problemlos über die Bühne gehen konnte. Der frühere CSU-Chef hat seiner Partei selbst den verhängnisvollen Schubs gegeben, der sie auf die abschüssige Bahn geraten ließ. Und seine so hoffnungsvoll gestarteten Nachfolger Günther Beckstein und Erwin Huber haben diese Talfahrt nicht stoppen können. Man hat das Gefühl, beide sind auf das Tandem gestiegen, ohne zu wissen, wo die Bremse ist: Schlappe bei den Kommunalwahlen, das gerade verkündete Rauchverbot wieder aufgeweicht, Huber holt sich mit seiner Forderung nach der Rückkehr zur alten Pendlerpauschale eine Abfuhr bei Kanzlerin Angela Merkel und Beckstein schiebt den Transrapid endgültig aufs Abstellgleis. Und als I-Tüpfelchen gestern die zusätzlichen Milliardenbelastungen für die Bayern-LB. Huber gerät in großen Erklärungsnotstand: Wieviel hat er als Vizechef im Verwaltungsrat der Bayern-LB schon vorher gewusst? Mit großem Vertrauensvorschuss gestartet, nach nur sechs Monaten ist das Duo in heftigsten Turbulenzen, die schon wieder Heckenschützen auf den Plan rufen. Putschgerüchte machen die Runde. Das ist natürlich Unsinn, denn die CSU mag ja vieles sein, nur nicht selbstmörderisch. Die Partei wird sich nur wenige Monate vor der Landtagswahl auf keinen Fall eine offene Personaldiskussion erlauben. Wohl aber wird Huber und Beckstein heute auf der Klausurtagung in Wildbad Kreuth der Kopf gewaschen. Nicht nur das schlechteste Ergebnis bei Kommunalwahlen seit 40 Jahren, auch der Absturz in den Umfragen zur Landtagswahl muss die Partei wachrütteln. Es geht nicht darum, ob die CSU 50 Prozent plus der Stimmen erhält, sondern darum, ob sie überhaupt die absolute Mehrheit erreicht. Das kann auch Bundeskanzlerin Angela Merkel im fernen Berlin nicht recht sein. Eine schwächelnde Schwesterpartei erleichtert zwar im Moment das Regieren. Querschüsse aus München sind zur Zeit Mangelware, die wenigen - Pendlerschaule oder rasche Steuerreform - prallen an ihr ab. Wann hat ein CDU-Kanzler die CSU schon einmal an so kurzer Leine führen können? Doch auch in Berlin kann man nur hoffen, dass die CSU die Kurve kriegt. Ohne eine starke CSU kann die Union keine Bundestagswahl gewinnen.
Quelle: Westfalen-Blatt