Leipziger Volkszeitung zum Ombudsrat
Archivmeldung vom 24.06.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.06.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFordern und Fördern statt Arbeitslose nur verwalten - was wurde Herr Hartz am Anfang geherzt für diese schöne Idee. Doch es gibt seit Jahren kein Rezept im Reformland Deutschland, das nicht durch allerlei Köche gründlich verdorben wird.
Bestes Beispiel sind die Hartz-Gesetze. Die traurige Bilanz des
Ombudsrates liest sich so: Gefordert wurde vor allem die Verwaltung
samt überforderter Computersysteme; gefördert wurde die Kreativität
der Empfänger, die sich bietenden Schlupflöcher des Systems zu
erkennen und zu nutzen. In jeder Schulklasse würde es für die
Versetzung nicht reichen, wichtige Ziele der Reform wurden glatt
verfehlt.
Dabei liegt der Grundfehler schon in der politischen
Weichenstellung. Nach langem Tauziehen kam 2004 im
Vermittlungsausschuss zwischen rot-grüner Bundesregierung und
unionsdominiertem Bundesrat ein weichgespültes Ergebnis heraus. Ein
Kompromiss, mit dem alle Beteiligten leben konnten. Nur die
Ausführenden und Betroffenen wurden aus dem Blick verloren. Aber die
saßen ja auch nicht mit am Verhandlungstisch.
Dabei gab und gibt es vernünftige Ideen. Zum Beispiel die Übertragung
der Zuständigkeit der Kommunen bei der Betreuung von
Langzeitsarbeitslosen. Aber wieder schlug der Weichspüler
Vermittlungsausschuss unerbittlich zu. Die SPD war erfolgreich
dagegen, die Union vergebens dafür. Am Ende gab es die
Arbeitsgemeinschaften - ein Gemischtwarenladen, in dem sich die
Verkäufer gegenseitig auf den Füßen herumstehen. Keiner weiß so
richtig, was in den Regalen liegt. Es gibt zwar alles Mögliche im
Angebot, aber selten passgenaue Lösungen für die Kunden, sprich
Arbeitslosen. Zu Recht kritisiert Ombudsratsmitglied Bergmann das
bürokratische Monstrum.
Aber auch der Ombudsrat kann irren - erinnert sei nur an den
Hinzuverdienst. Im Glauben, Gutes zu tun, wurde die Ausweitung
empfohlen und umgesetzt. Erreicht wurde das Gegenteil einer
Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Mini-Jobber haben zusammen
mit dem Alg II nun ihr persönliches Zwei-Säulen-Einkommensmodell. Alg
II wird so nicht zur vorübergehenden staatlichen Stütze, sondern zur
dauerhaften Einrichtung - ein ungewollter Kombilohn durch die
Hintertür.
Genügend Korrekturbedarf also, aber es gibt auch Hoffnung.
Entgegen der Schelte einiger Marktschreier sind die Missbrauchsfälle
geringer als gedacht. Der ehrliche Hartz-IV-Betroffene mag dies als
späte Genugtuung empfinden. Wurde er doch oft genug pauschal als
Kleinkrimineller verdächtigt. Gefordert sind nun alle, die bei der
Reform der Reform das Sinnvolle vom Nutzlosen trennen müssen. Ohne
weitere Einschnitte wird es nicht gehen. Vielleicht aber wird so
endlich ein tragfähiges Gesetz zu Tage gefördert. Hartz muss ja nicht
gleich zu Herzen gehen - aber funktionieren sollte es nach
18-monatiger Probezeit schon.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung