Hot Stocks im Ausverkauf
Archivmeldung vom 15.05.2021
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.05.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićIm Februar hat die Aktie von Home 24 mit 25,87 Euro ein Hoch erreicht. Inzwischen hat sie 45 Prozent verloren und notiert bei 14,32 Euro. Der Dax-Wert Delivery Hero hat gegenüber seinem Hoch in diesem Jahr 27 Prozent eingebüßt, bei Shop Apotheke sind es 37 Prozent und bei Teamviewer ebenfalls 37 Prozent. Und US-Elektroautobauer Tesla notiert satte 34 Prozent unter dem im Januar erreichten Niveau.
Zwei Fragen stellen sich: Warum haben diese Hot Stocks in den vergangenen Wochen derart massiv an Wert eingebüßt? Und wird sich der Ausverkauf fortsetzen?
Zumindest die erste Frage ist leicht zu beantworten. Die Pandemie und die durch die Geldpolitik verursachte massive Geldflut haben zu einem Höhenflug von Aktien der Sektoren Technologie, Lieferdienste und Gesundheit geführt, den zuvor kaum ein Investor für möglich gehalten hätte. Dabei hat die Flut fast alle Boote aus diesen Sektoren gehoben, auch und gerade Hoffnungswerte, sprich Aktien von Unternehmen, die vielleicht in Zeiten der Pandemie schnell wachsen, aber die (noch) nicht profitabel arbeiten oder gerade erst die Gewinnzone erreicht haben. Selbst IPOs von Geldvernichtern oder leeren Börsenhüllen konnten in den vergangenen Monaten platziert werden.
Hinzu kommen noch die selbstverstärkenden Effekte, die oft an den Aktienmärkten in Boomphasen wirken. Immer mehr Anleger springen dann auf Titel auf, die zuletzt hohe Kursgewinne erzielt hatten. Und Geldverbrenner oder wenig profitable Gesellschaften werden mitunter geadelt, indem sie aufgrund ihrer steigenden Kurse in wichtige Börsenindizes aufrücken. So gehört Delivery Hero inzwischen dem Dax und Tesla dem S&P 500 an.
Der Trend ist zwar im Prinzip der Freund des Investors, doch fast jeder Aufwärtstrend einer einzelnen Aktie bricht einmal, zumindest wenn diese extrem hoch bewertet ist. Ältere Anleger, die Dotcom-, Neuer-Markt- und Telekom-Blase erlebt haben, wissen, wie schnell hoch gehypte Wachstumswerte fallen können und wie rasch aus schönen Gewinnen mitunter hohe Verluste werden.
Das mussten jetzt auch die Anteilseigner von etlichen Hot Stocks erleben. Denn drei Faktoren haben sich geändert. Erstens sind diese Titel vor allem in den Wintermonaten sehr schnell geklettert, so dass bereits hohe Bewertungen noch extremer wurden. Zweitens beginnt der Kapitalmarkt inzwischen zu realisieren, dass durch das Impfen eines stetig wachsenden Teils der Bevölkerung die Pandemie bereits in wenigen Monaten weitgehend überwunden sein könnte. Dann kaufen die Menschen wieder in Geschäften ein und gehen wieder in Gastwirtschaften essen. Entsprechend wird sich das jüngste Wachstum von Onlinehandel und Lieferdiensten so nicht fortsetzen.
Drittens sind die Teuerungsraten in den vergangenen Monaten merklich geklettert. Noch pumpen die Notenbanken eine Menge Geld in die Wirtschaft. Doch ist vor dem Hintergrund des Anziehens der Weltkonjunktur und aufkommender Inflationsrisiken absehbar, dass das Wachstum der Geldexpansion sich zumindest verlangsamen wird.
Auch dass bestimmte Titel in Auswahlindizes aufsteigen, ist bei anhaltenden Kursverlusten keine ausgemachte Sache. Und gerade hoch gehypte Titel sind in der Vergangenheit auch schon öfters schnell wieder aus dem Dax abgestiegen. Ende April lag Zalando auf Platz 25 der nach Free-Float-Kapitalisierung berechneten Rangliste. Insofern hat der Titel Chancen, im September in den Dax aufzusteigen, der dann von 30 auf 40 Titel erweitert wird. Doch fließt bis dahin noch viel Wasser den Main hinunter. Kochboxversender Hellofresh und Sartorius-Vorzüge rangieren per Ende April übrigens auf den Rängen 33 und 36. Das Rennen um die erste Liga verspricht spannend zu werden.
Doch wie sind die Hot Stocks nun aktuell einzuschätzen? Im Gegensatz zum Gesamtmarkt, der bei Aktien in Europa und in Deutschland nicht zu teuer erscheint, sind sie noch immer sehr hoch bewertet, und die aufgezeigten Belastungsfaktoren haben Bestand. Laut Analystenschätzungen werden Home 24 und Delivery Hero auch im laufenden Jahr nicht profitabel arbeiten. Und das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis der übrigen Werte ist immer noch sehr hoch. Wie sagt Warren Buffett so treffend: "Erst wenn die Flut zurückgeht, sieht man, wer eine Badehose anhat."
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Werner Rüppel