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WAZ: Die Partei fällt auf sich selbst zurück

Archivmeldung vom 25.01.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.01.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Oskar Lafontaine hat immer polarisiert, die letzten 30 Jahre war das so. Er wollte es nie anders, es entspricht seinem politischen Naturell. Links hat er Geschichte geschrieben. Er hat der SPD gedient und er will sie zerstören. Er ist aktuell der große Neinsager, darin ganz anders als die andere linke Epochenfigur, Joschka Fischer, der die Grünen mit der Realität versöhnte.

Versöhnung war in den vergangenen Jahren wirklich nicht Lafontaines Antrieb, sondern: Rache. Und der alte, sehr persönliche Impuls zu zeigen, dass er als einziger weiß, was richtig ist. Nun geht er, und diesmal ist es keine Flucht, sondern eine Kapitulation. Das Messer-Attentat konnte Lafontaine noch überwinden, der Krebs lässt ihm keine Wahl außer dem Rückzug auf Raten. Für die Linkspartei ist das ein Schlag, vielleicht ein finaler. Lafontaine konnte die kulturell tiefen Gegensätze in dieser Partei-Neugründung mit seiner rhetorischen Gabe und seiner raumfüllenden Ausstrahlung noch wegschreien, aber einen Nachfolger gibt es nicht. Faktisch gibt es nur zwei west-östliche Integrationsfiguren von anerkanntem Gewicht in der Linkspartei und es ist umstritten, wie lange Gysi diese Rolle noch spielen kann und möchte. Ohne Lafontaine ist vieles denkbar, bishin zu einem Auseinanderbrechen der Partei, die im Osten stark genug ist und fadenscheinige Westhilfe nicht nötig hat. Dass Regionalparteien sehr gut funktionieren können, zeigt die CSU. Ohne Lafontaine ist das Gründungsprojekt einer gesamtdeutschen, anti-sozialdemokratischen, sozialistischen Linkspartei infrage gestellt. Als bloßes Sammelbecken politischer Abenteurer und Sektierer, ergänzt um von der SPD empörte Gewerkschafter, wird die Linkspartei West kaum eine Zukunft haben; schon gar nicht als ernsthafter Bündnispartner für eine SPD, die gar nicht anders kann als sich staatstragend zu definieren, um Volkspartei zu bleiben. Es mutet fast schon paradox an: Lafontaine war für sehr viele traditionelle Sozialdemokraten der größte Hinderungsgrund für ein Bündnis mit der Linken. Und doch macht sein Abgang eine solche Koalition nicht wahrscheinlicher, sondern unwahrscheinlicher, weil ohne Lafontaine die West-Linke zurückfällt auf das, was sie ist: Ein Sammelsurium. Und die SPD? Führungslos werdenden Linken die Rückkehr anzubieten, ist richtig, reicht aber nicht aus. Die SPD muss über die von Parteichef Gabriel angestoßene Identitäts-Debatte zur Volkspartei zurückfinden. Den Linken hinterher zu laufen, wäre gerade jetzt der falsche Weg.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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