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WAZ: Journalistenmorde thematisieren: Pressefreiheit statt Denkmalschutz

Archivmeldung vom 09.10.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wenn drei Journalisten bei einem Flugzeugunglück oder einem Autounfall tödlich verunglücken, dann wird darüber in den Medien nicht berichtet. Kommen sie jedoch wegen oder während ihrer Arbeit ums Leben, dann wird umfassend informiert.

Es ist ein trauriger Zufall, dass gerade an dem Wochenende, an dem im französischen Bayeux eine Gedenkstätte für 2000 getötete Reporter eröffnet wird, in Russland eine renommierte Journalistin ermordet wurde, die kritisch über russische Politik berichtet hat.

Das teils sehr hohe Berufsrisiko von Journalisten ist ein Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft, egal auf welchem Kontinent. Das gilt auch für die zwei deutschen Journalisten, die in Afghanistan erschossen wurden, gleich ob die Täter politisch, pseudo-religiös oder einfach kriminell motiviert waren. Alleine seit Januar 2006 wurden weltweit 70 Presseleute ermordet.

Es geht um nichts weniger als um die Meinungsfreiheit. Ungehinderter Zugang zu Informationen und deren Verbreitung ist ein Pfeiler der Demokratie. Bundeskanzlerin Merkel sollte den Mord an der mutigen Anna Politkowskaja zum Anlass nehmen, um am Dienstag bei ihrem Treffen mit dem russischen Präsidenten Putin mehr Pressefreiheit einzufordern. Der Tagesordnungspunkt Denkmalschutz könnte dafür beim Treffen im Rahmen des Petersburger Dialogs ersatzlos gestrichen werden.

Seit Jahren werden in Russland die Medien drangsaliert. Fernsehen, Radio und zahlreiche Zeitungen stehen unter direkter oder indirekter Kontrolle des Kreml. Politkowskaja schrieb über russische Menschenrechtsverletzungen und Willkür. Sie wusste, dass sie in Gefahr war. Der Geheimdienst jagte die Unbequeme in Tschetschenien, ein Giftanschlag sollte sie bereits kurz nach dem Geiseldrama von Beslan 2004 zum Schweigen bringen. Was sich innenpolitisch in Russland abspielt, erinnert an schlimme Sowjetzeiten. Auf der Rangliste zur weltweiten Situation der Pressefreiheit, die die Organisation "Reporter ohne Grenzen" veröffentlicht, rangiert Russland auf Platz 140. 167 Staaten werden aufgeführt.

Die zwei getöteten Mitarbeiter der Deutschen Welle galten als erfahren und in Afghanistan kundig. Ihr Tod zeigt die reale Gefahr auf, in die sich Journalisten begeben, wenn sie sich in Krisen- und Kriegsgebiete aufmachen.

Viele der Menschen, an die das Denkmal in Bayeux erinnert, sprachen die Sprache des Landes, kannten die Bräuche und Risiken, wähnten sich als relativ sicher - und wurden dennoch Opfer von Gewalt.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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