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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Koalitonsverhandlungen

Archivmeldung vom 17.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es ist bitterkalt geworden in Deutschland. Aber nur meteorologisch. Von einer schwarz-gelben Kälte ist nichts zu spüren, obwohl die SPD im Wahlkampf so lautstark davor gewarnt hatte. Vor allem Angela Merkel präsentiert sich in den Koalitionsverhandlungen regelrecht als Gralshüter der sozialen Gerechtigkeit.

Jüngstes Beispiel ist die Hartz-IV-Reform, die viele tausende Empfänger von Arbeitslosengeld II finanziell besser stellt. Die geplanten Steuersenkungen, über die an diesem Wochenende beraten werden, kommen noch oben drauf. Ganz besonders freundlich geht Merkel in diesen Tagen mit den Gewerkschaften um. Auf der 60-Jahr-Feier des Deutschen Gewerkschaftsbundes bekam sie sogar begeisterten Applaus. Mindestlöhne, Kündigungsschutz, Mitbestimmung - gravierende Änderungen wird es mit ihr an der Spitze der schwarz-gelben Regierung nicht geben. Angela Merkel ist die neue Sozialkanzlerin, nicht die Kanzlerin der sozialen Kälte. Sie ist nicht die Kanzlerin der Koalition, sondern aller Deutschen. Mit ihrem neuen Sozialkurs schlägt sie gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Erstens: Sie gewinnt Vertrauen für Schwarz-Gelb. Zweitens: Sie hält sich die SPD vom Leib und besetzt das Thema soziale Gerechtigkeit ganz alleine. Da bleibt der politische Mitbewerber automatisch auf der Strecke. Zuletzt lagen die Sozialdemokraten in Umfragen nur noch bei 20 Prozent. Somit ist der personelle Neuanfang längst verpufft. Drittens: Indirekt hält sie den angeschlagenen CSU-Chef Horst Seehofer gekonnt auf Distanz. Der braucht Erfolge, die Merkel ihm weder gönnt noch gibt, weil sie ihn nicht wirklich leiden kann. Und viertens: Merkel bereitet schon jetzt ihren nächsten Triumph vor. Denn bereits am 9. Mai 2010 wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Das größte Bundesland ist die einstige Hochburg der Sozialdemokraten. Und auch hier will Merkel Schwarz-Gelb und ihren Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers sicher durchs Ziel bringen, damit im Bundesrat nichts anbrennt. Unterstützung für ihren Kurs erhält Angela Merkel sogar aus dem gegnerischen Lager. So haben die NRW-Grünen bereits signalisiert, in Düsseldorf offen für »Jamaika« zu sein. Und weil die Linkspartei in NRW mit ihren Vorstellungen nicht mehr ernst zu nehmen ist, steht die SPD plötzlich ganz ohne Partner da. Bis zur Landtagswahl in NRW im Mai 2010 wird es keine Einschnitte geben. Ob sie danach nötig sein werden - und wenn ja in welchem Umfang, bleibt abzuwarten. Entscheidend wird sein, wie sich der Arbeitsmarkt in den nächsten Monaten entwickelt. Während bei den Sozialdemokraten angesichts ihrer eigenen desaströsen Lage und des neuen Sozialkurses der Union die Angst umgeht, wird Merkels Erfolg maßgeblich davon abhängen, ob die Wirtschaft im nächsten Jahr anspringt oder nicht. Sie spielt komplett die Karte Wachstum. Ob sie sticht, werden wir sehen.

Quelle: Westfalen-Blatt

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