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Westdeutsche Zeitung: Staatsverschuldung

Archivmeldung vom 15.02.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.02.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es mutet wie ein rechthaberischer Kampf von gestern an: Schwarz-Gelb klagt gegen Rot-Grün, weil der Bundeshaushalt 2004 womöglich nicht verfassungskonform war. Tatsächlich aber geht es nicht um späte Triumphe, sondern um klarere Schuldengrenzen. Es geht darum, verbindliche Grenzwerte für das süße Gift der Kreditaufnahme festzulegen, das kurzfristig berauschend wirkt, langfristig jedoch bittere Folgen nach sich zieht.

Nun sind Staatsschulden ja an sich noch nichts Schlimmes. Voraussetzung ist, dass damit Investitionen finanziert werden, die künftigen Generationen zugute kommen. Genau das regelt der Artikel 115 des Grundgesetzes. Nur in Ausnahmefällen, bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, darf die Nettokreditaufnahme die Summe der Investitionen übersteigen. Dummerweise haben die Bundesregierungen in den vergangenen 25 Jahren satte elfmal von dieser "Ausnahme"-Klausel Gebrauch gemacht.
Auch die Große Koalition hat das Schlupfloch schon genutzt, was die Verhandlung in Karlsruhe besonders brisant macht. Man stelle sich das vor: Angela Merkel klagt als Oppositionschefin gegen ein Verfahren, das sie in ähnlicher Form zwei Jahre später als Kanzlerin selbst anwendet. Auch im Etat 2006 überstieg die Neuverschuldung die Summe der Investitionen. Wie zuvor Rot-Grün stellte die Große Koalition eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts fest. Anders als 2004 zeichnete sich da aber schon der beginnende Aufschwung ab. Sollten die Verfassungsrichter zu der Auffassung gelangen, dass der Haushalt 2004 verfassungswidrig war, dann war es der Etat 2006 erst recht.
Das alles zeigt, wie wichtig es ist, das Schlupfloch im Artikel 115 zu stopfen. Erstens muss verbindlich definiert werden, was zu den Investitionen zählt. Zweitens müssen Verkäufe, also De-Investitionen, künftig berücksichtigt werden. Drittens sollte nicht mehr die Regierung bestimmen, wann eine Störung vorliegt, sondern ein unabhängiges Gremium - zum Beispiel die Bundesbank. Wünschenswert wäre allerdings, dass der Gesetzgeber selbst die Konsequenzen zieht. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat eine Änderung des Artikels 115 ja bereits in Aussicht gestellt, um die "Selbstdisziplin" zu fördern - wie er in einem Interview mit unserer Zeitung offen zugab.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung

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