Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Start der Fußball-Bundesliga
Archivmeldung vom 05.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGehören Sie auch zu denen, die sagen: na endlich. Und auch, wenn jemand sein schwer verdientes Geld nicht dem Sender Sky in den gierigen Pay-TV-Schlund schieben will, kommt er heute Abend als pflichtschuldiger Gebührenzahler ausnahmsweise mal live im Öffentlich-Rechtlichen auf seine Kosten. Die ARD überträgt das Eröffnungsspiel der Bundesliga. Fußball für alle.
Oder zumindest für alle, die auch wollen: Meister Borussia Dortmund gegen Liga-Dino Hamburger SV - das muss jetzt nicht gleich großes Kicker-Kino sein, doch gibt es Millionen Menschen in diesem Land, die ohne Bundesliga nicht können. Denen was fehlt, wenn es nicht wenigstens durch den Fernseher nach Rasen riecht. Die enormen Einschaltquoten während der Frauen-WM sind ja zum Teil auch damit erklärt worden: Zur Überbrückung nehmen die fußballverrückten Fans wirklich alles mit. Die Breitenwirkung der seit 1963 bestehenden Bundesliga sollte auch niemand unterschätzen oder gar mitleidig belächeln. Sie ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner. Darauf können sich (fast) alle einigen. Jung und alt. Arm und reich. Chef und Mitarbeiter. Sie verbindet Schichten, sie bringt zusammen, was sonst nicht zusammen gehört. Sie genießt als ewig erfolgreiche, nie vom Aus bedrohte Unterhaltungsware einen Stellenwert, der allein über den Einsatz immenser Summen beim Aushandeln der TV-Rechte als einzigartig und unverzichtbar definiert wird. Dabei sind die samstäglichen Wohnstuben-Klassiker wie Sportschau oder Sportstudio der alt-revolutionäre Gegenentwurf zu Ex-und-Hopp-Formaten wie Trällershows von Unbegabten oder albernen Laufsteg-Lappalien vor Klums Gnaden. Klar wird auch Fußball aufgeblasen als gebe es nichts anderes. Das ist dann wohl auch übertrieben und manchmal führt die Entfernung vom Kern des reinen Sports zu absonderlichen Resultaten. Doch im Grundsatz kann das nichts ändern: Die Bundesliga ist beliebt, sie hat etwas Verlässliches, ganz Deutsches an sich. Eine familiäre Komponente ist ihr nicht abzusprechen und letztlich haben auch solche, die die neumodernen Arenen aus der Ferne für eine Raumstation halten, sicher schon versehentlich von Schweinsteiger, Neuer oder auch noch Ballack gehört. Die Bundesliga vollständig zu umdribbeln, ist auch für die exotische Kleingruppe der Fußballfeinde nicht leicht. Und endgültig weg bitte mit den angestaubten Vorurteilen. Es muffelt ja nicht mehr nach Kabinenschweiß. Es gibt da eine Menge Leute, die klug sind und sich auszudrücken verstehen. Gewisse Rituale, wenn es am Ende der Saison wieder einen Meister zu küren gilt, erfordern nur einfaches Verständnis: Bierduschen zum Beispiel. Würden sich Männer woanders Gerstensaft über den Schädel schütten, weil sie in ihrem Beruf Außergewöhnliches vollbracht haben? Gelegentlich Kind zu sein, ist etwas, was sich die Bundesliga erlaubt. An Ernsthaftigkeit, am Hang zur Perfektion, an der Erfordernis zur Leistung kommt, wie wir alle an Hand von tragischen Beispielen wissen, allerdings auch sie nicht vorbei.
Quelle: Westfalen-Blatt (ots)