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Berliner Morgenpost: Der Betrug gehört zur Wette wie das Tor zum Fußball

Archivmeldung vom 23.11.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.11.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Die grenzenlose Empörung über den neuerlichen Wettskandal hat etwas rührend Naives. Die Annahme, ausgerechnet in der Zocker-Branche herrschten Recht und Anstand, ist ungefähr so realitätsnah wie der Glaube, alle Bürger zahlten brav ihre Steuern. Der Beschiss gehört zur Wette wie das Tor zum Fußball. Kein Geldsystem lädt derart zum Missbrauch ein wie das internationale Wettgeschäft.

Die Branche war schon in der Antike halbseiden und wird es bis in alle Ewigkeit bleiben. Denn je ununübersichtlicher und anonymer die Abläufe, desto gefahrloser, reizvoller und lukrativer ist die Trickserei. Das internationale Wettgeschäft bietet gigantische Betrugsoptionen - und die werden natürlich genutzt, zumal sich der Schaden kaum messbar auf Millionen Gutgläubige verteilt. Jeder halbwegs vernunftbegabte Viertklässler kapiert, wie simpel der Betrug funktioniert: Sobald ein Einzahler einem Spieler einen Anreiz bietet, der stärker ist als Sportgeist oder Loyalität zum Arbeitgeber, läuft das Manipulationssystem. Im simpelsten Fall sind Spieler und Wetter ein und dieselbe Person. Absurd, dass nicht nur Kickern, sondern jedem Profi-Sportler, Schiedsrichtern und manchen Offiziellen die Chance gegeben wird, das eigene Fehlverhalten zu belohnen. Sportwetten laden gerade die zweite und dritte Reihe der Berufssportler zum Missbrauch ein, ob in Lettland oder Lüdenscheid. Die Wettindustrie lebt von zwei sträflich dummen Annahmen. Erstens ist da der Mythos vom untadeligen Sportsmann, der sich in jedem Wettkampf zerreißt. Selbst wenn Athleten von edlerer Gesinnung wären als der Rest der Menschheit, so bleibt ein Rest von kriminellen Geistern, wie der Volkssport Dopen beweist. Ist es wirklich überraschend, dass manchem Legionär der schnelle Tausender wichtiger ist als der Klassenerhalt? Die zweite Fehlannahme: Mit den Mitteln des Rechtsstaats sei dem Betrug beizukommen. Welch ein Quatsch. Wenn jemand Lehren aus dem Fall Hoyzer gezogen hat, dann die Wett-Mafia: Um unter dem Kontrollradar zu bleiben, bedurfte es einfach nur vieler kleinerer Einsätze, möglichst weit entfernt vom Ort des Spiels. Globalisierung bedeutet eben auch, dass man in Shanghai auf eine Niederlage des VfL Osnabrück setzen kann. Das Internet beschleunigt und verschleiert die Zockerei noch. Wird der Betrug derart leicht gemacht, wäre es dumm zu glauben, die nun aufgeflogenen Fälle - darunter angeblich wieder der eines DFB-Schiedsrichters - seien die einzigen. Theoretisch ist so ziemlich jeder Wettkampf wett- und mithin manipulierbar. Weil kein rechtliches Instrumentarium die internationalisierten Praktiken eindämmen kann, gibt es nur zwei Wege zur Lösung: Entweder die Gesellschaft lebt mit einem quasi legalisierten Betrugssystem und freut sich über Steuern, die man übrigens brutalstmöglich erhöhen sollte. Oder das geschäftsmäßige Wetten wird durch drastisch reduzierte Einsätze und Gewinne schlichtweg unattraktiv für Gangster. Ansonsten wird sich das Hoyzer-Muster wiederholen: Millionen-Kaution hinterlegen und auf ins nächste Wettbüro.

Quelle: Berliner Morgenpost

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