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Die Fed lässt grüßen

Archivmeldung vom 31.05.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.05.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Kommen amerikanische Verhältnisse auf uns zu? Diese Frage drängt sich angesichts der jüngsten Inflationszahlen mehr denn je auf: Die Verbraucherpreise in Deutschland waren im Mai nach EU-harmonisierter Rechnung, die maßgeblich für die Europäische Zentralbank (EZB) ist, 8,7 Prozent höher als vor einem Jahr. Das meldet das Statistische Bundesamt. Für die gesamte Eurozone wird Eurostat an diesem Dienstag ebenfalls einen neuerlichen Rekordwert in der Ära des Euro ausweisen.

Mit Blick auf die nackten Zahlen herrschen bereits amerikanische Verhältnisse. Bislang war die Inflation in den USA noch höher, die Lage noch prekärer als in der Eurozone. Inzwischen gibt es in den USA Anzeichen, dass die Inflation an der Schwelle von 8 Prozent ihr Plateau erreicht hat. Auch ist die US-Notenbank Fed nach sträflichem Zaudern entschieden eingeschritten. Das kann man von der EZB leider nicht behaupten. Die Teuerung zieht derweil immer weiter an und nimmt Kurs Richtung 10 Prozent.

Spätestens im Juli wird die EZB die Zinswende beginnen. Das ist überfällig. Angesichts der neuen Inflationszahlen muss es vielmehr darum gehen, ob auch in Sachen Zinspolitik amerikanische Verhältnisse gerechtfertigt sind. Die Fed hat den Leitzins zum ersten Mal seit Langem um 50 Basispunkte auf einen Schlag angehoben. Und sie ist wieder dazu bereit, um der Inflation Einhalt zu gebieten, wie Fed-Gouverneur Christopher Waller gerade in Frankfurt betont hat.

Inflationsunheil verheißen in Euroland die Preisentwicklungen bei Produzenten und Importeuren, die auf Sicht von zwölf Monaten die 30-Prozent-Marke gerissen haben. Auch wenn die Unternehmen dies kaum in vollem Umfang auf Kunden und Verbraucher überwälzen werden, sind dies ernst zu nehmende Vorboten einer sich verfestigenden Inflation. So rechnet die Bundesbank "vor dem Hintergrund der starken Teuerung auf den vorgelagerten Stufen" mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von um die 7 Prozent im laufenden Jahr. Laut Analysen von Allianz Trade haben Lebensmitteleinzelhändler höhere Erzeugerpreise bislang nicht mal zur Hälfte an die Konsumenten weitergegeben. Auch die exorbitant gestiegenen Gaspreise werden überwiegend mit Verzögerung in den Nebenkostenabrechnungen privater Haushalte auftauchen.

Die um sich greifende Furcht vor einer Lohn-Preis-Spirale ist also längst nicht das einzige Argument für entschiedenes Handeln der EZB. Ihre Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel. Inzwischen spricht immer mehr für eine doppelte Zinsdosis. Das zeigt die Dramatik der Lage - und wie sehr die EZB diese unterschätzt hat. Die Fed lässt grüßen.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)  von Stefan Reccius

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