Lausitzer Rundschau: Regierungsverhandlungen in Bayern Zügig zur Koalition
Archivmeldung vom 14.10.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie FDP in Bayern hat überhaupt noch nie, die CSU seit immerhin 46 Jahren keine Koalitionsgespräche geführt. Gemessen an dieser Unerfahrenheit in Koalitionsangelegenheiten steuert die CSU, die die FDP als "Sicherheitsrisiko" diffamiert hatte, und die FDP, die sich im Wahlkampf als "deutlichsten Kontrast zu Schwarz" sah, recht zügig aufeinander zu.
Fast hätten sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Horst Seehofer (CSU) vergangene Woche schon auf offener Bühne umarmt. Das wird wohl der magnetischen Wirkung zuzuschreiben sein, den Macht auf alle Politiker ausübt. Zumal die bayerische Verfassung keine monatelange Hängepartien wie etwa die hessische duldet. Wenn nicht zügig ein Ministerpräsident gewählt wird, dann müssen der Landtag aufgelöst und Neuwahlen ausgeschrieben werden. Ein Szenario, das sowohl Schwarz wie Gelb schreckt. Dass in den jeweiligen Partei- und Wahlprogrammen von CSU und FDP eine ganze Menge unvereinbarer Positionen zu finden ist, dürfte deshalb für weniger Zoff sorgen als sich viele vorgestellt haben. Die Sondierungsgespräche, welche die CSU mit den Freien Wählern (FW) geführt hat, entpuppen sich als reine Alibi-Veranstaltungen. Dahinter mag stecken, dass sich Freie und Christsoziale wechselseitig überaus unsympathisch sind. Handelt es sich bei den FW doch zum großen Teil um Kommunalpolitiker und Wähler, die sich aus Protest gegen die Arroganz der "Staatspartei" in den vergangenen Jahren aus der CSU und deren Dunstkreis abgesetzt haben. Und bekannt ist aus anderen Bereichen: Nirgends kann man sich so spinnefeind sein wie unter Verwandten. Außerdem ist es der CSU als Praktikabilitätsgründen wichtiger, es mit einer "richtigen Partei" und einem halbwegs verlässlichen Partner zu tun zu haben. Die FW sind schwer berechenbar, haben keine Erfahrung in der Landespolitik und ihr Spitzenmann Hubert Aiwanger ist ein Newcomer auf der landespolitischen Bühne mit einem deutlichen Hang zum Populismus. Populist ist aber der designierte CSU-Chef Horst Seehofer schon selbst. Strategisch gesehen würde der CSU eine Koalition mit den Freien Wählern freilich auch Chancen eröffnen. Nämlich die, mit dem Koalitionspartner genauso umzuspringen wie vor einem halben Jahrhundert mit der Bayernpartei. Die CSU assimilierte die Partei bekanntlich so nachhaltig, dass sie seither nur noch ein exotisches Schattendasein führt. Doch jetzt war so etwas der CSU-Spitze wohl zu riskant. Mit der FDP wissen die Christsozialen wenigstens, was sie haben.
Quelle: Lausitzer Rundschau