Westdeutsche Zeitung: Die Kosten der Krise werden nur in die Zukunft verlagert
Archivmeldung vom 31.10.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie SPD hat die Rentengarantie noch auf der Zielgeraden der Großen Koalition durchgesetzt. Genutzt hat ihr das bei der Wahl offenbar nicht. Die 20 Millionen Rentner in Deutschland aber werden im kommenden Jahr von diesem Wahlgeschenk profitieren.
Da die Lohnsumme in der Wirtschaftskrise durch die massiv ausgeweitete Kurzarbeit um ca. 0,5 Prozent sinkt, müssten die Renten im Folgejahr entsprechend abgesenkt werden. Schneller als erwartet wird nun die Rentengarantie dafür sorgen, dass die Altersbezüge 2010 wenigstens auf dem jetzigen Niveau verharren.
Die Begeisterung über das kleinere Übel der Nullrunde wird sich bei den Rentnern gleichwohl in Grenzen halten. Schließlich werden sie das Wahlgeschenk in den Folgejahren bis auf den letzten Cent zurückzahlen müssen. In besseren Jahren wird die Rente nämlich nur halb so stark erhöht werden wie rechnerisch möglich, bis die Einbußen auf der Lohnseite nachgeholt sind. Das gilt genauso für den Riester-Faktor - eine weitere Rentenkürzung zum Ausgleich der demografischen Entwicklung - , den die vergangene Bundesregierung ausgesetzt hatte. So werden sich die Rentner wohl für mehrere Jahre auf Nullrunden einstellen müssen.
Der Sinn der Verzögerung beziehungsweise der Verstetigung des Schmerzes wird sich nur wenigen erschließen. Wahrscheinlich wäre es einer überwiegenden Mehrheit der Ruheständler sogar lieber gewesen, mit einer Rentenkürzung ihren Teil zur Krisenbewältigung beizutragen - zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kurzarbeiter und ihre Familien viel größere Einschnitte hinnehmen müssen, und zu dem die IG Metall für die kommende Lohnrunde eine bemerkenswerte Zurückhaltung ankündigt.
Die Entkoppelung der Renten von den Löhnen - bisher das Grundprinzip der staatlichen Alterssicherung - kann sich zudem noch als Bumerang erweisen. Der Glaube der Rentner an eine verlässliche Politik der Altersversorgung ist in den vergangenen Jahren ohnehin zerstört worden: Spätestens seit Gerhard Schröder in seinem Wahlkampf 1998 versprochen hatte, die Rentenreform der Vorgängerregierung rückgängig zu machen - um später umso schmerzhaftere Einschnitte vorzunehmen. Der populistischen Rentengarantie könnte es in den kommenden Jahren ähnlich ergehen.
Quelle: Westdeutsche Zeitung