Rheinische Post: Große Koalition der Enttäuschten
Archivmeldung vom 16.11.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSchon seit langem nicht mehr hat es ein derart großes Gefälle zwischen der Lage und der Stimmung in Deutschland gegeben. Die Wirtschaft wächst so stark wie seit vielen Jahren nicht, es gibt fast 500.000 Arbeitslose weniger als vor einem Jahr und die geringste Neuverschuldung des Bundes seit der Wiedervereinigung.
Zugleich
schmiedet die große Koalition reihenweise Kompromisse: etwa zur
Unternehmensteuer, zur Erbschaftsteuer, zum Bleiberecht für
Flüchtlinge. Was zuvor jahrelang umstritten war, wird jetzt beinahe
im Wochentakt vereinbart.
Was in anderen Zeiten zum Absingen politischer Jubelmessen reichen
würde, geht derzeit im Missmut der Bürger über die Regierenden unter.
Woran liegt das? Es wäre zu kurz gesprungen, das Umfrage-Tief von
Union und SPD nur auf den frustrierenden Streit um die
Gesundheitsreform zurückzuführen.
Hinter den großen Enttäuschungen der Wähler stecken auch
Selbsttäuschungen. Ein Teil hatte erwartet, dass eine große Koalition
auch große, schöne Reformen brächte. Andere hofften darauf, dass sich
bei diesem gegensätzlichen Bündnis schon nicht allzu viel ändern
würde. Beide Erwartungen erweisen sich als falsch. Mit diesen
Missverständnissen muss die Koalition leben. Sie kann aber auch daran
sterben wenn die Beteiligten nun nicht die Nerven behalten, ihre
Pflicht-Agenda unbeirrt abzuarbeiten.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post