WAZ: Kompromiss aus Flickwerk
Archivmeldung vom 08.11.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Große Koalition hat sich als handlungsfähig erwiesen, findet die Große Koalition und lobt ihren zusammengebastelten Kompromiss zur Erbschaftsteuerreform. Handlungsfähig heißt kompromissfähig, kompromissfähig heißt nicht immer gut - siehe die politische Verschlimmbesserei durch die Gesundheitsreform.
Die Erbschaftsteuerreform strotzt nur so vor Ausnahmeregelungen. Warum bleibt das ererbte Haus auch jenseits der hohen Steuerfreibeträge für Ehepartner vom Fiskus verschont: Weil es die CSU so wollte mit Blick auf hübsche Tegernsee-Villen. Warum gilt die komplette Steuerfreiheit für Kinder nur für selbst genutzte Wohnungen oder Häuser bis 200 Quadratmeter: Weil die SPD das wollte. Warum zahlen die Erben von landwirtschaftlichen Betrieben so gut wie keine Erbschaftsteuer: Weil die CSU, CDU und der Landwirtschaftsverband das so wollten.
Ist das ein gelungener Kompromiss oder ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Finanzamtsbürokratie? Ein Bierdeckel reicht jedenfalls nicht aus, um das Werk zu erklären. Und ob es verfassungsrechtlich Bestand hat, darauf laufen jetzt schon Wetten.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (von Thomas Wels)